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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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und Audric Baillard, das musste er sein. Und 1993, das Jahr, in dem ihre Eltern gestorben waren.
    Sie legte auch dieses Foto aus der Hand und nahm schließlich den letzten Gegenstand aus dem Karton, ein kleines altes Buch. Das schwarze Leder war rissig und wurde von einer matt angelaufenen Messingschnalle zusammengehalten. Obendrauf waren in erhabener Goldprägung die Worte HOLY BIBLE zu lesen.
    Nach etlichen Versuchen gelang es Alice, die Bibel zu öffnen. Auf den ersten Blick sah sie aus wie eine ganz normale King- James-Ausgabe. Erst als sie sie bereits zu drei Vierteln durchgeblättert hatte, stellte sie fest, dass jemand ein Loch in die hauchdünnen Seiten geschnitten hatte und so ein flacher, rechteckiger Hohlraum von rund zehn Zentimetern Länge und knapp acht Zentimetern Breite entstanden war - ein Versteck.
    Darin lagen fest zusammengefaltet mehrere Papierbögen, die Alice vorsichtig herausnahm. Eine helle Scheibe, etwa so groß wie eine Ein-Euro-M ü nze, fiel heraus und landete in ihrem Schoß. Sie war flach und sehr dünn und bestand nicht aus Metall, sondern aus Stein. Erstaunt nahm sie sie in die Hand. Es waren zwei Buchstaben eingraviert. NS. Himmelsrichtungen? Namensinitialen? Eine Art Währung?
    Alice drehte die Scheibe um. Auf der anderen Seite war ein Labyrinth eingraviert, und es war in jeglicher Hinsicht identisch mit dem Labyrinth auf der Unterseite des Ringes und an der Wand in der Höhle.
    Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass es für diese Übereinstimmung eine vollkommen logische Erklärung geben musste, obwohl ihr beim besten Willen keine einfiel. Unsicher blickte sie auf die Blätter Papier, in denen die Scheibe gesteckt hatte. Sie hatte Angst vor dem, was sie darin entdecken könnte, war aber auch zu neugierig, um sie ungeöffnet zu lassen.
    Du kannst jetzt nicht auf hören.
    Alice faltete die Seiten auseinander und unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Es war nur ein Stammbaum. Auf dem ersten Blatt stand die Überschrift ARBRE GENEALOGIQUE. Die Tinte war verblasst und stellenweise schwer zu lesen, doch gewisse Worte hoben sich ab. Die meisten Namen waren schwarz, aber einer in der zweiten Reihe, Alaïs PELLETlER-du MAS (1192-) war mit roter Tinte geschrieben. Den Namen gleich daneben konnte Alice nicht entziffern, doch in der Zeile darunter und ein wenig nach rechts versetzt stand ein anderer Name, Sajh ë de SERVIAN, in grüner Tinte.
    Neben beiden Namen war ein kleines, zartes Motiv in Gold gestaltet. Alice griff nach der Steinscheibe und legte sie mit dem Muster nach oben neben das Symbol auf dem Blatt. Sie waren identisch.
    Sie blätterte Seite um Seite weiter, bis sie zum letzten Blatt kam. Dort fand sie einen Eintrag für Grace, deren Todesdatum mit einer andersfarbigen Tinte eingefügt war. Darunter und wieder seitlich versetzt standen Alice' Eltern.
    Der letzte Eintrag galt ihr. Alice Helena (1976- ), geschrieben in roter Tinte. Und daneben das Labyrinthsymbol.
    Alice zog die Knie an, stützte das Kinn darauf und schlang die Arme um die Beine. Irgendwann wusste sie nicht mehr, wie lange sie schon in diesem stillen, verlassenen Zimmer saß. Doch schließlich verstand sie. Die Vergangenheit griff nach ihr und erhob Anspruch auf sie. Ob sie das nun wollte oder nicht.
     

Kapitel 43
Carcassonne
     
    D ie Fahrt von Salleles d'Aude zurück nach Carcassonne verging wie im Rausch. Als Alice ankam, war die Lobby des Hotels mit Neuankömmlingen überfüllt, deshalb nahm sie sich selbst ihren Zimmerschlüssel vom Haken und ging nach oben, ohne jemandem Bescheid zu sagen.
    Als sie die Tür aufschließen wollte, bemerkte sie, dass sie nur angelehnt war.
    Alice zögerte. Sie legte den Schuhkarton und die Bücher auf dem Boden ab und stieß dann vorsichtig die Tür ein Stück weiter auf. »Allo? Hallo?«
    Sie blickte sich rasch im Zimmer um. Es sah alles so aus, wie sie es verlassen hatte. Trotzdem war Alice mulmig zu Mute, als sie über die abgestellten Sachen trat und argwöhnisch einen Schritt in den Raum machte. Sie blieb stehen. Ein Geruch nach Vanille und kaltem Zigarettenrauch drang ihr in die Nase.
    Plötzlich nahm sie eine Bewegung hinter der Tür wahr. Ihr Herz machte einen Satz. Sie fuhr herum und sah gerade noch ein graues Jackett und schwarzes Haar im Spiegel, ehe sie einen harten Stoß gegen die Brust bekam und nach hinten fiel. Mit dem Kopf knallte sie gegen die Spiegeltür des Kleiderschranks, in dem die Drahtkleiderbügel an der Stange schepperten wie Murmeln

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