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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Schuld liegt bei mir, aber ich finde Orianes Gesellschaft weniger ... Ich versuche, gerecht zu sein, aber leider haben sie nicht viel füreinander übrig.«
    »Wie schade«, murmelte Simeon.
    Sie waren am Tor angekommen. Pelletier blieb stehen.
    »Ich wünschte, ich könnte dich überreden, in der Ciutat zu wohnen. Oder wenigstens in Sant-Miquel. Wenn unsere Feinde da sind, kann ich dich außerhalb der Mauern nicht beschützen und ...«
    Simeon legte eine Hand auf Pelletiers Arm. »Du machst dir zu viele Sorgen, mein Freund. Meine Rolle ist jetzt vorbei. Ich habe dir das Buch gegeben, das mir anvertraut war. Auch die anderen beiden Bücher sind innerhalb dieser Mauern. Du hast Esclar monde und Alaïs , um dir zu helfen. Was soll da noch jemand von mir wollen?« Er betrachtete seinen Freund aus dunkel glimmenden Augen. »Mein Platz ist bei meinem Volk.«
    In Simeons Tonfall schwang etwas mit, das Pelletier beunruhigte. »Ich bin nicht bereit, diesen Abschied als etwas Endgültiges zu betrachten«, sagte er heftig. »Ehe der Monat vorüber ist, trinken wir beide wieder gemeinsam unseren Wein, denke an meine Worte.«
    »Nicht deinen Worten misstraue ich, mein Freund, sondern den Schwertern der Franzosen.«
    »Ich wette, im nächsten Frühjahr ist das alles längst vorüber. Dann sind die Franzosen mit eingekniffenem Schwanz wieder nach Hause gehumpelt, der Comte von Toulouse sucht sich neue Verbündete, und du und ich, wir sitzen am Feuer und schwelgen in Erinnerungen an unsere verlorene Jugend.«
    »Pas a pas, se war luenh«, sagte Simeon und umarmte ihn. »Und grüße Harif herzlich von mir. Sag ihm, dass ich noch immer auf die Schachpartie warte, die er mir vor dreißig Jahren versprochen hat!«
    Pelletier hob zum Abschied die Hand, als Simeon durch das Tor schritt, ohne sich noch einmal umzusehen.
    »Intendant Pelletier!«
    Pelletier schaute weiter auf die Menschenmenge, die sich Richtung Fluss bewegte, aber er konnte Simeon nicht mehr entdecken.
    »Messire!«, wiederholte der Bote atemlos und mit erhitztem Gesicht.
    »Was ist denn?«
    »Ihr werdet an der Porte Narbonnaise gebraucht, Messire.«

Kapitel 45
     
    Alaïs stieß die Tür zu ihrem Gemach auf und lief hinein. »Guilhem?«
    Obwohl sie allein sein wollte und auch nicht mit ihrem Gemahl gerechnet hatte, war sie doch enttäuscht, den Raum leer vorzufinden.
    Alaïs verschloss die Tür, nahm ihren Beutel vom Gürtel, legte ihn auf den Tisch und zog das Buch aus der schützenden Hülle. Es war etwa so groß wie der Psalter einer Dame. Die äußeren Holzdeckel waren mit Leder überzogen, ganz schlicht und an den Ecken ein wenig abgegriffen.
    Alaïs löste die Lederbänder und ließ das Buch in ihren Händen aufklappen, wie ein Schmetterling, der seine Flügel ausbreitet. Die ersten Seiten waren leer, bis auf ein kleines Labyrinth aus Blattgold in der Mitte, das auf dem dicken cremefarbenen Pergament glitzerte wie ein Edelstein. Es war nicht größer als das Muster auf dem Ring ihres Vaters oder auf dem merel, der so kurz in ihrem Besitz gewesen war.
    Sie blätterte die Seite um. Ihr Blick fiel auf vier schwarze Schriftzeilen mit eleganten und kunstvollen Buchstaben.
    Die Ränder der Seite waren rundum mit Bildern und Symbolen verziert, ein sich wiederholendes Muster wie eine Zierstickerei um den Saum eines Mantels. Vögel, Tiere, Gestalten mit langen Armen und spitzen Fingern.
    Alaïs stockte der Atem.
    Das sind die Gesichter und Gestalten aus meinen Träumen.
     

 

     
    Langsam blätterte sie die Seiten um. Jede war mit schwarzen Schriftzeilen bedeckt, und die jeweilige Rückseite war leer. Sie erkannte Wörter in Simeons Sprache, verstand sie jedoch nicht. Der größte Teil des Buches war in ihrer Sprache geschrieben. Der erste Buchstabe jeder neuen Seite war rot, blau oder gelb illuminiert und mit Gold umrandet. Keine Illustrationen am Rand, keine weiteren Buchstaben, die im fortlaufenden Text irgendwie hervorgehoben worden wären, und die Wörter folgten einander mit nur wenigen Lücken oder sonstigen Markierungen, die deutlich machten, wo das eine endete und das nächste begann.
    Alaïs nahm das Pergament heraus, das in der Mitte des Buches versteckt war. Es war dicker und dunkler als die Seiten, die es umgaben, eher Ziegenhaut als Vellum. Statt irgendwelcher Symbole oder Illustrationen sah sie hier nur wenige Wörter und Reihen von Zahlen und Maßen. Es sah aus wie eine Art Karte. Sie konnte winzig kleine Pfeile erkennen, die in verschiedene Richtungen

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