Das Verlorene Labyrinth
waren nie nach seinem Geschmack gewesen.
Er hatte einen frühreifen Jungen vorgefunden, der den Verlust seiner Eltern betrauerte und sich schwer tat, die Verantwortung zu tragen, die auf seinen jungen Schultern lastete. Seitdem stand Pelletier dem Vicomte Trencavel zur Seite, zuerst am Hofe von Raymond-Rogers Vormund, Bertrand de Saissac, dann unter der Protektion des Comte von Foix.
Als Raymond-Roger volljähri g wurde und in das Chateau Com tal zurückkehrte, um seinen rechtmäßigen Platz als Vicomte von Carcassonne, Beziers und Albi einzunehmen, war Pelletier mitgekommen.
Als Haushofmeister war Pelletier für den reibungslosen Ablauf der Hofhaltung verantwortlich. Er befasste sich auch mit Verwaltung, Rechtsprechung und dem Eintreiben von Steuern, die im Namen des Vicomte von den Consuln erhoben wurden, den Männern, die die Angelegenheiten der Stadt Carcassonne gemeinsam regelten. Wichtiger jedoch war seine Stellung als anerkannter Vertrauter, Berater und Freund des Vicomte. Niemand hatte mehr Einfluss als er.
Das Chateau Comtal war voller hoch gestellter Gäste, und täglich trafen weitere ein. Die Seigneurs der bedeutendsten Châteaux im Herrschaftsbereich der Trencavel mitsamt ihren Gemahlinnen, die tapfersten und berühmtesten chevaliers des Südens, die besten Spielmänner und Troubadoure - alle waren sie zum traditionellen Sommerturnier geladen worden, das wie jedes Jahr Ende Juli zur Feier des Festtags von Sant-Nasari stattfand. In Anbetracht des drohenden Krieges, dessen Schatten nun schon seit gut einem Jahr über ihnen hing, war der Vicomte fest entschlossen, seinen Gästen ein unvergessliches Vergnügen zu bescheren. Es sollte das denkwürdigste Turnier seiner Herrschaft werden.
Pelletier wiederum war fest entschlossen, nichts dem Zufall zu überlassen. Er verriegelte die Tür zum Kornlager mit einem der vielen schweren Schlüssel, die er an einem Metallring am Gürtel trug, und ging weiter den Gang hinunter.
»Als Nächstes ins Weinlager«, sagte er zu seinem Diener François. »Das letzte Fass war sauer.«
Während Pelletier den Gang entlangschritt, warf er immer wieder einen Blick in die anderen Räume. Das Wäschelager roch nach Lavendel und Thymian und war leer, als warte es darauf, dass jemand es endlich zu neuem Leben erweckte.
»Sind die Tischtücher gewaschen und bereit für die Tafel?«
»Oc, Messire.«
In dem Keller gegenüber dem Weinlager, am Fuße der Treppe, wendeten Männer große Fleischhälften in den Pökelkisten. Einige Stücke baumelten an Metallhaken von der Decke. Andere würden noch einen Tag länger in Fässern lagern. In einer Ecke fädelte ein Mann Pilze, Knoblauch und Zwiebeln auf Schnüre und hängte sie zum Trocknen auf.
Alle unterbrachen ihre Arbeit und verstummten, als Pelletier eintrat. Einige von den jüngeren Dienern erhoben sich verlegen. Er sagte nichts, blickte sich nur um, nahm den gesamten Raum prüfend in Augenschein, ehe er beifällig nickte und dann weiterging. Pelletier schloss gerade die Tür zum Weinlager auf, als er im Stockwerk über ihnen Rufe und das Geräusch von hastigen Schritten hörte.
»Sieh nach, was da los ist«, sagte er gereizt. »Bei solch einem Lärm kann ich nicht arbeiten.«
»Messire.«
François drehte sich um und lief rasch die Treppe hinauf. Pelletier stieß die schwere Tür auf und betrat den kühlen, dunklen Keller, atmete den vertrauten Geruch von feuchtem Holz und das säuerliche Aroma von vergossenem Wein und Bier ein. Langsam schritt er die Gänge entlang, bis er die Fässer gefunden hatte, die er suchte. Von einem Tablett, das auf einem Tisch bereitstand, nahm er einen Tonbecher, dann löste er den Spundzapfen ganz vorsichtig und langsam, um das Gleichgewicht im Fass nicht zu stören.
Er hörte ein Geräusch draußen auf dem Gang, und seine Nackenhaare sträubten sich. Er stellte den Becher ab. Jemand rief seinen Namen. Alaïs. Irgendetwas war geschehen.
Pelletier eilte durch den Raum und riss die Tür auf.
Alaïs kam die Treppe heruntergerannt, als wäre ihr eine Meute Hunde auf den Fersen, François hinterdrein.
Beim Anblick der ergrauten Gestalt ihres Vaters schrie Alaïs auf. Sie warf sich in seine Arme, vergrub das tränennasse Gesicht an seiner Brust. Sein vertrauter, tröstlicher Geruch umhüllte sie, und am liebsten hätte sie wieder geweint.
»Im Namen von Sant Foy, was ist passiert? Was hast du denn? Bist du verletzt? Sag es mir.«
Sie konnte die Sorge in seiner Stimme hören. Sie wich ein
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