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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Leinentuch abgedeckt war.
    Baillard hatte die Fensterläden geöffnet, damit er den Sonnenaufgang sehen konnte. Im Frühling waren die Bäume rings um das Dorf mit festen silbernen und weißen Knospen übersät, und gelbe und hellrote Blüten lugten verschämt aus Hecken und Böschungen hervor. Doch jetzt im Hochsommer waren nur wenige Farben geblieben, nur das Grau und Grün des Berges, in dessen ewiger Gegenwart er so lange gelebt hatte.
    Ein Vorhang trennte den Schlafbereich vom Hauptraum. Die gesamte hintere Wand war voll mit schmalen Regalen, die jetzt fast
    leer waren. Ein alter Mörser mit Stößel, ein paar Schüsseln und Tiegel, einige Krüge. Außerdem Bücher, sowohl welche aus seiner Feder als auch die großen Stimmen der Geschichte der Katharer - Delteil, Duvernoy, Nelli, Marti, Brenon, Rouquette. Werke der arabischen Philosophie standen Seite an Seite mit Übersetzungen alter jüdischer Texte und Monographien alter und moderner Autoren. Die Reihen von Taschenbüchern, die in dieser Umgebung fehl am Platze wirkten, füllten den Raum, der früher einmal Arzneien und Tinkturen und Kräutern Vorbehalten war.
    Er war bereit zu warten.
    Baillard hob das Glas an die Lippen und trank einen großen Schluck.
    Und wenn sie nicht kam? Wenn er niemals die Wahrheit über jene letzten Stunden erfuhr?
    Er seufzte. Wenn sie nicht kam, dann wäre er gezwungen, die letzten Schritte seiner langen Reise allein zu gehen. Wie er es immer befürchtet hatte.

Kapitel 64
     
    A ls endlich der Morgen heraufzog, war Alice wenige Kilometer nördlich von Toulouse. Sie fuhr eine Raststätte an und trank zwei Tassen heißen, süßen Kaffee, um ihre Nerven zu beruhigen.
    Erneut las sie den Brief. Er war Mittwochmorgen in Foix aufgegeben worden. Ein Brief von Audric Baillard mit einer Wegbeschreibung zu seinem Haus. Sie wusste, dass er echt war, denn sie erkannte die schwarze, krakelige Schrift.
    Sie hatte das Gefühl, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als hinzufahren.
    Alice breitete die Karte auf der Theke aus und sah nach, wo genau sie hinfahren musste. Der hameau, in dem Baillard lebte, war nicht auf der Karte verzeichnet, aber in seiner Wegbeschreibung hatte er ein paar Orte in der Nähe vermerkt, sodass sie sich ungefähr vorstellen konnte, wie sie zu ihm kam.
    Außerdem, so hatte er geschrieben, war er zuversichtlich, dass Alice schon sehen würde, wann sie ihr Ziel erreicht hatte.
     
    Vorsichtshalber - eine Maßnahme, die sie, wie sie jetzt wusste, besser schon früher ergriffen hätte - nahm sie sich für den Fall, dass sie nach ihr suchten, am Flughafen einen neuen Mietwagen. Dann fuhr sie weiter Richtung Süden.
    Sie kam an Foix vorbei, folgte den Schildern Richtung Andorra, ließ Tarascon hinter sich, ehe sie, wie im Brief beschrieben, bei Luzenac von der Hauptstraße abbog und durch Lordat und Bestiac fuhr.
    Die Landschaft veränderte sich. Ein wenig fühlte Alice sich an die Alpen erinnert. Kleine Bergblumen, hohes Gras, Häuser wie Schweizer Chalets.
    Sie fuhr an einem gewaltigen Steinbruch vorbei, der wie eine riesige weiße Narbe in den Berghang geschlagen worden war. Hohe Strommasten und dicke schwarze Kabel, die zu den Wintersportorten führten, dominierten den Himmel, hoben sich dunkel vor dem sommerlichen Blau ab.
    Alice überquerte die Lauze. Die Straßen wurden steiler und kurvenreicher, und sie musste in den zweiten Gang herunterschalten. Von den ständigen Spitzkehren war ihr schon ganz flau im Magen, als sie unversehens in ein kleines Dorf gelangte.
    Es gab zwei Geschäfte und ein Café mit ein paar Tischen und Stühlen davor. Sie beschloss, sich zu erkundigen, ob sie noch auf der richtigen Straße war, hielt an und ging in das Café. In der rauchgeschwängerten Luft hockten ein paar wortkarge, wettergegerbte Männer in blauen Overalls an der Theke.
    Alice bestellte sich einen Kaffee und breitete demonstrativ ihre Straßenkarte auf der Theke aus. Eine Weile sagte niemand etwas. Offenbar waren Fremde, vor allem Frauen, hier nicht sonderlich beliebt. Doch schließlich gelang es ihr, den Männern ein paar Auskünfte zu entlocken. Von Los Seres hatte keiner je gehört, aber sie kannten die Gegend und halfen ihr, so gut sie konnten.
    Sie fuhr weiter, noch höher hinauf, und orientierte sich so gut es ging weiter an der Wegbeschreibung in dem Brief. Die Straße wurde zur Piste, die schließlich irgendwann aufhörte. Alice stellte den Wagen ab und stieg aus. Erst jetzt, wo sie in der vertrauten Landschaft stand

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