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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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(1192-) mit roter Tinte hervorgehoben. Als sie ihn sich das letzte Mal angesehen hatte, konnte sie den Namen daneben nicht entziffern, nur Sajhë s Namen, der mit grüner Tinte etwas versetzt darunter stand.
    » Alaïs und Guilhem«, wiederholte sie.
    Eine direkte Abstammungslinie von ihnen zu mir.
    Alice brannte darauf zu erfahren, was in den drei Monaten geschehen war, die Guilhem und Alaïs zusammen verbrachten. Warum hatten sie sich wieder getrennt? Sie wollte wissen, was das Labyrinth-Symbol neben Alaïs ' Namen und Sajhë s Namen zu bedeuten hatte.
    Und neben meinem Namen.
    Aufgeregt blickte sie auf. Sie wollte gerade eine ganze Salve von Fragen abfeuern, als der Ausdruck auf Audrics Gesicht sie bremste. Instinktiv spürte sie, dass er lange genug von Guilhem gesprochen hatte.
    »Und was geschah danach?«, fragte sie leise. »Sind Alaïs und ihre Tochter bei Sajhë und Harif in Los Seres geblieben?«
    Das flüchtige Lächeln, das sich auf Audrics Gesicht zeigte, verriet ihr, dass er ihr für den Themenwechsel dankbar war.
    »Sie war ein wunderbares Kind«, sagte er. »Freundlich, hübsch, immer gut gelaunt, und sie sang viel. Alle vergötterten sie, vor allem Harif. Bertrande saß oft stundenlang bei ihm und lauschte seinen Erzählungen aus dem Heiligen Land und über ihren Großvater, Bertrand Pelletier. Als sie älter wurde, erledigte sie Botengänge für ihn. Als sie sechs war, brachte er ihr sogar Schach bei.«
    Audric verstummte, und seine Miene verdüsterte sich erneut. »Doch die ganze Zeit über griff die schwarze Hand der Inquisition immer weiter um sich. Nachdem die Kreuzfahrer das Flachland erobert hatten, richteten sie ihr Augenmerk auf die bislang uneinnehmbaren Bo llwerke der Pyrenäen und Sabar thes-Berge. Trencavels Sohn Raymond kehrte 1240 mit einer Schar von chevaliers aus dem Exil zurück, und fast der gesamte Adel der Corbieres schloss sich ihm an. Ohne Mühe konnte er fast alle Ortschaften zwischen Limoux und der Montagne Noire wiedergewinnen. Das ganze Land unterstützte ihn: Saissac, Azille, Laure, die Châteaux von Quéribus, Peyrepertuse, Agui lar. Doch auch nach einem fast einmonatigen Kampf gelang es ihm nicht, Carcassona zurückzuerobern. Im Oktober zog er sich nach Montréal zurück. Niemand kam ihm zur Hilfe. Schließlich sah er sich gezwungen, nach Aragon zu flüchten.«
    Audric atmete einmal tief durch. »Sofort setzte der Terror ein. Montréal wurde dem Erdboden gleichgemacht, Montolieu ebenso. Limoux und Alet kapitulierten. Alaïs war klar, uns allen war klar, dass das Volk den Preis für das Scheitern der Rebellion bezahlen würde.«
    Baillard brach unvermittelt ab und sah Alice an. »Waren Sie auf dem Montségur, Madomaisèla Alice?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Es ist ein ganz außergewöhnlicher Ort. Vielleicht ein heiliger Ort. Selbst heute sind dort noch Seelen zu spüren. Er ist auf drei Seiten von schroffen Felswänden geschützt. Gottes Tempel im Himmel.«
    »Der sichere Berg«, sagte sie, ohne zu überlegen, und wurde dann rot, als sie merkte, dass sie Baillards Worte zitiert hatte.
    »Viele Jahre früher, vor Beginn des Kreuzzuges, hatten die führenden Köpfe der Katharerkirche den seigneur von Montségur, Raymond de Péreille, gebeten, das halb zerfallene castellum neu aufzubauen und seine Festungsanlagen zu verstärken. 1243 war Pierre-Roger de Mirepoix, an dessen Hof Sajhë ausgebildet worden war, Kommandant der Garnison. Aus Angst um Bertrande und Harif glaubte Alaïs in Los Seres nicht mehr in Sicherheit zu sein, daher bot Sajhë sich an, mit ihnen nach Montségur zu gehen. Aber unterwegs konnten sie sich nicht mehr so gut verstecken. Vielleicht hätten sie sich trennen sollen. Alaïs drohte ja jetzt die Inquisition.«
    »War Alaïs zur Katharerin geworden?«, fragte Alice unvermittelt, weil ihr auf einmal bewusst wurde, dass sie das noch immer nicht genau sagen konnte.
    Er überlegte einen Moment. »Die Katharer glaubten, dass die Welt, die wir sehen, hören, riechen, schmecken und berühren können, vom Teufel erschaffen wurde. Sie glaubten, der Teufel habe reine Geister mit List und Tücke dazu überredet, aus Gottes Reich zu fliehen, und sie hier auf Erden in leiblichen Hüllen gefangen. Sie glaubten, wenn sie ein gutes Leben führten und »ein gutes Ende nahmen«, würden ihre Seelen von dieser Knechtschaft befreit und könnten zu Gottes Herrlichkeit im Himmel zurückkehren. Wenn nicht, würden sie innerhalb von vier Tagen auf der Erde wiedergeboren

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