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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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blieb vor Inquisitor Ferrier stehen und wartete. Ferriers wächsernes Gesicht verriet nicht das Geringste. Er wollte Sajhë s Namen wissen, sein Alter, seinen Rang und seinen Heimatort. Der Gänsekiel kratzte über das Pergament.
    »Glaubst du an Himmel und Hölle?«, fragte er unvermittelt. »Ja.«
    »Glaubst du ans Fegefeuer?«
    »Ja.«
    »Glaubst du, dass der Sohn Gottes ganz Mensch geworden ist?« »Ich bin Soldat, kein Mönch«, entgegnete Sajhë , die Augen auf den Boden gerichtet.
    »Glaubst du, dass eine Menschenseele nur einen einzigen Körper hat, in dem und mit dem sie wieder aufersteht?«
    »Die Priester sagen, dass das so ist.«
    »Hast du je jemanden sagen hören, es sei Sünde, einen Eid zu schwören? Und wenn ja, wer war das?«
    Diesmal hob Sajhë den Blick. »Das habe ich nicht«, sagte er trotzig.
    »Ach was, Soldat. Du dienst seit über einem Jahr in der Garnison und willst nicht wissen, dass die heritici sich weigern, Eide zu schwören?«
    »Ich diene Pierre-Roger de Mirepoix, Inquisitor. Auf die Worte anderer gebe ich nichts.«
    Die Vernehmung ging noch eine Weile so weiter, doch Sajhë blieb bei seiner Rolle als einfacher Soldat, der in allen Bibel- und Glaubensfragen unwissend war. Er beschuldigte niemanden. Behauptete, nichts zu wissen.
    Schließlich blieb Inquisitor Ferrier nichts anderes übrig, als ihn gehen zu lassen.
    Es war erst Nachmittag, doch die Sonne ging bereits unter. Die Dämmerung kroch zurück ins Tal, beraubte die Dinge ihrer Form und überzog alles mit schwarzen Schatten.
    Man schickte Sajhë zu einer Gruppe anderer Soldaten, die bereits vernommen worden waren. Jeder von ihnen hatte eine Decke bekommen, ein großes Stück altes Brot und einen Becher Wein. Aber Sajhë sah auch, dass den zivilen Gefangenen keine so freundliche Behandlung zuteil wurde.
     
    Als der Tag zur Neige ging, wurde Sajhë noch schwerer ums Herz.
    Es machte ihn verrückt, nicht zu wissen, ob Bertrandes Prüfung vorüber war - oder wo sie überhaupt in diesem riesigen Lager festgehalten wurde. Der Gedanke an Alaïs , die in ihrem Versteck wartete, sah, wie das Licht schwand, und immer nervöser wurde, je näher die Stunde des Aufbruchs rückte, erfüllte ihn mit Furcht, zumal er nichts tun konnte, um ihr zu helfen.
    Die bangen Gedanken ließen ihn nicht zur Ruhe kommen, und er stand auf, um sich zu recken. Er spürte, wie ihm die feuchte Kälte in die Knochen kroch, und seine Beine waren schon steif vom langen Sitzen.
    »Assis«, knurrte ein Wachmann und klopfte ihm mit seiner Lanze auf die Schulter. Sajhë wollte gerade gehorchen, als er weiter oben am Berg Bewegung wahrnahm. Wahrscheinlich ein
    Suchtrupp, der sich der Felskuppe näherte, wo Alaïs , Harif und ihre Führer sich versteckt hatten. Die flackernden Flammen ihrer Fackeln warfen Schatten auf die Büsche, die sich im Wind wiegten.
    Sajhë gefror das Blut in den Adern.
    Im Laufe des Tages war die Burg erfolglos durchsucht worden. Er hatte geglaubt, die Gefahr wäre vorbei. Aber jetzt durchsuchten sie offenbar das Unterholz und das Gewirr von Pfaden, das unten um die Zitadelle herum verlief. Wenn sie noch weiter in diese Richtung gingen, würden sie genau an die Stelle kommen, wo Alaïs auftauchen würde. Und es war fast dunkel.
    Sajhë lief los, auf die Umrandung des Geheges zu.
    »He!«, schrie der Wachmann. »Stehen bleiben, hörst du? Arrête!«
    Sajhë achtete nicht auf ihn. Ohne an die Folgen zu denken, schwang er sich über den Holzzaun und stürmte den Hang hinauf auf den Suchtrupp zu. Er hörte, wie der Wachmann nach Verstärkung rief. Aber sein einziger Gedanke war, dass er sie von Alaïs ablenken musste.
    Die Männer des Suchtrupps blieben stehen und schauten sich um.
    Sajhë schrie irgendwas, wollte sie dazu bringen einzugreifen, nicht bloß dazustehen. Schließlich sah er, wie die Verwunderung auf ihren Gesichtern in Aggression umschlug. Ihnen war langweilig und kalt, und ein Kampf kam ihnen da gerade recht.
    Kaum hatte Sajhë erkannt, dass sein Plan funktionierte, als auch schon der erste Fausthieb in seiner Magengrube landete. Er schnappte nach Luft und kippte vornüber. Zwei Soldaten hielten seine Arme fest, und nun trafen ihn die Hiebe von allen Seiten. Waffenknäufe, Stiefel, Fäuste, alles wurde erbarmungslos eingesetzt. Er spürte, wie die Haut unter einem Auge aufplatzte. Er schmeckte Blut auf der Zunge und in der Kehle, während die Schläge weiter auf ihn niederprasselten.
    Erst jetzt begriff er, welch verhängnisvollen

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