Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
Vom Netzwerk:
musste zurück ins Camp. Hitzschlag, Austrocknung, sie musste raus aus der Sonne, musste Wasser trinken.
    Behutsam machte sie sich an den Abstieg, spürte jede Unebenheit des Berges in den Beinen. Sie musste weg von diesen widerhallenden Felsen, von den Geistern, die hier lebten. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah, nur, dass sie fliehen musste.
    Sie ging schneller, schneller, bis sie fast rannte, über die Steine und scharfkantigen Spitzen strauchelte, die aus der dürren Erde ragten. Aber die Worte waren in ihrem Kopf verwurzelt und tönten laut und deutlich, wie ein Mantra.
    Schritt für Schritt kommen wir weiter. Schritt für Schritt.

Kapitel 12
     
    D as Thermometer zeigte knapp unter dreiunddreißig Grad im Schatten an. Es war fast drei Uhr nachmittags. Alice saß unter dem Sonnenzelt, geschützt vor der sengenden Hitze, und trank gehorsam die Orangina, die ihr jemand in die Hand gedrückt hatte. Die warme Kohlensäure kribbelte ihr in der Kehle, und sie spürte förmlich, wie der Zucker in ihre Blutbahn drang. Es roch stark nach Gabardine, Zelten und beißendem Antiseptikum.
    Die Wunde auf der Innenseite ihres Ellbogens war desinfiziert und frisch verbunden worden. Um das Handgelenk, das inzwischen auf Tennisballgröße angeschwollen war, hatte man ihr einen sauberen weißen Verband gewickelt. Die Knie und Schienbeine waren mit kleine Kratzern und Schürfwunden übersät, die allesamt mit einem Desinfektionsmittel behandelt worden waren. Das hast du dir selbst eingebrockt.
    Sie warf einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel, der am Zeltpfosten hing. Ein kleines, herzförmiges Gesicht mit intelligenten braunen Augen starrte sie an. Unter den Sommersprossen und der gebräunten Haut war sie blass. Sie sah völlig zerzaust aus. Die Haare waren voller Staub, und vorn auf dem T-Shirt war getrocknetes Blut.
    Sie hatte nur den einen Wunsch, endlich in ihr Hotel in Foix fahren zu dürfen, die schmutzigen Klamotten in die Wäsche zu geben und eine lange, kühle Dusche zu nehmen. Dann würde sie nach unten auf den Platz gehen, eine Flasche Wein bestellen und sich den Rest des Tages nicht mehr vom Fleck rühren.
    Und nicht mehr daran denken, was geschehen war.
    Die Chancen, dass sich der Wunsch erfüllen würde, standen allerdings schlecht.
    Die Polizei war vor einer halben Stunde eingetroffen. Auf dem Parkplatz weiter unten stand eine Reihe von weiß-blauen Streifenwagen neben den ramponierten Citroens und Renaults der Archäologen. Es war eine regelrechte Invasion.
    Alice hatte angenommen, dass sie sich zuerst mit ihr unterhalten würden, doch sie hatten sich nur vergewissert, dass sie diejenige war, die die Skelette gefunden hatte, und sie dann mit dem Hinweis, sie später befragen zu müssen, zurückgelassen. Auch von ihren Kollegen hatte sich niemand mehr für sie interessiert. Wofür Alice Verständnis hatte. Dieses ganze Tohuwabohu ging auf ihr Konto. Da gab es nicht viel zu sagen. Von Shelagh war nichts mehr zu sehen.
    Die Polizei hatte den Charakter des Lagers verändert. Überall wimmelte es von Beamten in blassblauen Hemden und kniehohen schwarzen Stiefeln, mit Pistolen im Gürtel. Sie schwärmten über den Berghang wie Wespen, wirbelten Staub auf und riefen einander in ihrem stark dialektal gefärbten Französisch Anweisungen zu, so schnell, dass Alice kein Wort verstand.
    Den Eingang zur Höhle hatten sie sofort mit Plastikband abgesperrt, und der Lärm, den sie veranstalteten, drang durch die stille Bergluft. Das Surren der Motorkameras wetteiferte mit dem Zirpen der Zikaden.
    Vom Parkplatz trieb die leichte Brise Stimmen zu Alice herauf. Sie wandte sich um und sah Dr. Brayling mit Shelagh die Stufen heraufkommen. Bei ihnen war ein massiger Polizist, der offenbar das Sagen über das Polizeiaufgebot hatte.
    »Die Skelette können unmöglich die beiden Leute sein, nach denen Sie suchen«, beteuerte Dr. Brayling gerade. »Die Knochen sind ganz eindeutig mehrere hundert Jahre alt. Als ich die Behörden verständigt habe, hätte ich nicht eine Sekunde damit gerechnet, dass Sie so einen Aufstand veranstalten.« Er wedelte mit den Armen. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was Ihre Leute hier für einen Schaden anrichten? Ich kann Ihnen sagen, ich bin alles andere als glücklich.«
    Alice betrachtete den Inspektor, einen kleinen, übergewichtigen Mann mittleren Alters, der mehr Bauch hatte als Haare. Er war kurzatmig, und die Hitze machte ihm offensichtlich sehr zu schaffen. Sogar auf diese Entfernung konnte

Weitere Kostenlose Bücher