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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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wollte ihn an sich reißen, doch sie war zu langsam. Authié hatte ihn schon gepackt und Inspektor Noubel zugeworfen.
    »Dazu haben Sie kein Recht«, schrie sie. Sie wandte sich an den Inspektor. »Das kann er doch nicht machen, oder? Wieso tun Sie denn nichts?«
    »Warum haben Sie was dagegen, wenn Sie nichts zu verbergen haben?«
    »Hier geht's ums Prinzip! Sie können nicht einfach meine Sachen durchwühlen.«
    »Monsieur Authié, je ne suis pas certain ... «
    »Tun Sie einfach, was man Ihnen sagt, Noubel.«
    Alice griff nach ihrem Rucksack, doch Authié packte ihr Handgelenk. Der Körperkontakt ließ sie vor Schreck erstarren. Ihr zitterten plötzlich die Beine, und sie wusste nicht, ob aus Wut oder aus Angst.
    Sie riss ihren Arm los, sank zurück und atmete schwer, während Noubel die Außentaschen durchsuchte.
    »Continuez. Dépêchez-vous.«
    Alice beobachtete ihn, als er zum Innenteil des Rucksacks kam. Sie wusste, es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis er ihren Skizzenblock finden würde. Der Inspektor sah sie kurz an. Ihm ist das hier auch zuwider. Leider war auch Authié Noubels leises Zögern nicht entgangen.
    »Was ist denn, Inspektor?«
    »Pas de bague. «
    »Was haben Sie gefunden?«, sagte Authié und streckte die Hand aus.
    Widerstrebend gab ihm Noubel den Block. Mit herablassender Miene blätterte Authié ihn durch. Dann zeigte sein Blick plötzlich Interesse, und für einen kurzen Moment sah Alice echte Verblüffung in seinen Augen, bevor sie sich wieder verengten. Er schlug den Block energisch zu.
    »Merci beaucoup pour votre ... collaboration, Dr. Tanner«, sagte er.
    Alice stand auf. »Meine Zeichnungen, bitte«, sagte sie mit bemüht fester Stimme.
    »Die erhalten Sie zu gegebener Zeit zurück«, sagte er und steckte den Block ein. »Den Rucksack ebenso. Inspektor Noubel gibt Ihnen eine Quittung dafür und lässt Ihre Aussage abtippen, damit Sie sie unterschreiben können.«
    Das jähe und abrupte Ende der Vernehmung überraschte Alice. Bevor sie etwas Scharfzüngiges erwidern konnte, hatte Authié bereits das Zelt verlassen und ihre Sachen mitgenommen. »Wieso hindern Sie ihn nicht daran?«, fragte sie Noubel. »Glauben Sie ja nicht, dass ich ihn so davonkommen lasse.«
    Seine Miene verhärtete sich. »Ich sorge dafür, dass Sie Ihren Rucksack zurückbekommen, Dr. Tanner. Ich rate Ihnen, machen Sie sich noch ein paar schöne Urlaubstage. Vergessen Sie das Ganze hier.«
    »Von wegen, ich lasse die Sache auf keinen Fall auf sich beruhen«, tobte sie, doch Noubel wandte sich bereits ab und ließ sie im Sonnenzelt stehen, wo sie sich fragte, was eigentlich gerade passiert war.
    Einen Moment lang wusste sie nicht, was sie machen sollte. Sie war wütend, auf sich selbst genauso wie auf Authié , weil sie sich so leicht hatte einschüchtern lassen.
    Aber er ist anders. Noch nie in ihrem Leben hatte sie mit so heftiger Abwehr auf jemanden reagiert. Allmählich legte sich der Schock. Es juckte sie, sich schnurstracks über Authié zu beschweren, bei Dr. Brayling oder auch bei Shelagh, sie wollte irgendwas tun. Aber sie verwarf den Gedanken. Angesichts ihres derzeitigen Status als persona non grata würde sie bei niemandem Mitgefühl ernten.
    Alice musste sich zwangsläufig damit begnügen, einen Beschwerdebrief im Kopf zu formulieren, und dabei dachte sie noch einmal über die Geschehnisse nach und versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Kurz darauf brachte ein anderer Polizist ihr die Aussage zum Unterschreiben. Alice las sie gründlich durch, aber da sie sachlich nichts zu beanstanden hatte, setzte sie ohne zu zögern ihre Unterschrift darunter.
     
    Die Pyrenäen waren in weiches rotes Licht getaucht, als die Knochen endlich aus der Höhle gebracht wurden.
    Alle verstummten, als sich die düstere Prozession den Hang hinunter zum Parkplatz bewegte, wo eine Reihe von weiß-blauen Polizeifahrzeugen bereitstand. Eine Frau bekreuzigte sich.
    Alice ging zu den anderen auf den Bergvorsprung, um zuzusehen, wie der Leichenwagen beladen wurde. Keiner sagte etwas. Die Türen wurden geschlossen, und dann rollte das Fahrzeug in einem Wirbel aus Steinchen und Staub vom Parkplatz. Unter den Augen von zwei Beamten, die zur Sicherung der Ausgrabungsstätte abbestellt worden waren, machten sich die meisten von Alice' Kollegen daran, ihre Sachen zusammenzupacken. Alice blieb noch eine Weile stehen, um den anderen aus dem Weg zu gehen, weil sie wusste, dass Mitleid noch schwerer zu ertragen sein würde als

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