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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Haute Couture, Malerei, Bücher, sein Geschmack war unfehlbar. Alles, was sie an sich selbst schätzte, hatte sie von ihm gelernt.
    Er hatte sie auch den Umgang mit Macht gelehrt, wie man sie benutzte und wie man sie behielt. Als sie achtzehn war und er fand, dass sie so weit war, hatte er seinen eigenen Sohn offiziell enterbt und stattdessen sie zur Alleinerbin ernannt.
    Ihr Verhältnis zueinander war nur ein einziges Mal getrübt worden - als sie ungewollt schwanger wurde. Sosehr er sich auch der Suche nach dem uralten Geheimnis des Grals verschrieben hatte, war ihr Großvater streng katholisch und konnte uneheliche Kinder nicht akzeptieren. Abtreibung kam nicht in Frage. Erst als er erkannte, dass seine Enkelin trotz ihrer Mutterschaft weiterhin Entschlossenheit zeigte - ja, sogar noch ehrgeiziger und rücksichtsloser wurde -, erlaubte er ihr, in sein Leben zurückzukehren.
    Sie zog tief an ihrer Zigarette, genoss den beißenden Rauch, der ihr durch die Kehle in die Lunge drang, und wehrte sich gegen die Macht ihrer Erinnerungen. Selbst jetzt noch, über zwanzig Jahre später, erfüllte sie die Erinnerung an ihr Exil mit kalter Verzweiflung. Ihre Exkommunizierung, wie er es genannt hatte. Es war eine treffende Bezeichnung. Es war ein Gefühl gewesen, als wäre sie tot.
    Marie-Cecile schüttelte den Kopf, um die rührseligen Gedanken loszuwerden. Heute Abend sollte nichts ihre Stimmung trüben. Sie durfte nicht zulassen, dass irgendetwas einen Schatten über den heutigen Abend warf. Sie wollte jeden Fehler ausschließen. Wieder wandte sie sich dem Spiegel zu. Zuerst trug sie eine blasse Grundierung auf und bestäubte die Haut mit einem goldfarbenen Gesichtspuder, der das Licht reflektierte. Als Nächstes zog sie die Lider und Brauen dick mit einem Kohlkajalstift nach, der ihre dunklen Wimpern und schwarzen Pupillen betonte, dann legte sie einen grünen Lidschatten auf, schillernd wie ein Pfauenrad. Für die Lippen wählte sie ein metallisches kupferrotes Gloss mit Goldreflexen und küsste anschließend ein
    Kosmetiktuch, um die Farbe zu versiegeln. Zum Schluss sprühte sie einen Parfümschleier in die Luft, der sich wie Nebel auf ihre Haut senkte.
    Auf der Frisierkommode standen drei Schatullen aus rotem Leder mit Messingverschlüssen aufgereiht, glänzend und blitzend. Der zeremonielle Schmuck war mehrere hundert Jahre alt, aber es waren Nachbildungen von Stücken, die noch einmal Tausende von Jahren älter waren. In der ersten Schatulle lag ein goldener Kopfschmuck, wie eine Tiara, die sich zu einem Punkt in der Mitte erhob. In der zweiten waren zwei Goldamulette in Form von Schlangen, deren glitzernde Augen geschliffene Smaragde waren. Die dritte enthielt eine Halskette, ein massives Goldband, das in der Mitte das Symbol umschloss. In den schimmernden Flächen schien die unwirkliche Erinnerung an den Staub und die Hitze des Alten Ägypten zu liegen.
    Als sie fertig war, ging Marie-Cecile zum Fenster hinüber. Unter ihr lagen die Straßen von Chartres wie auf einer Ansichtskarte, die Läden und Autos und Restaurants, die sich im Schatten der großen gotischen Kathedrale drängten. Schon bald würden aus diesen Häusern die Männer und Frauen kommen, die auserwählt waren, an dem bevorstehenden Ritual teilzunehmen.
    Sie schloss die Augen vor der vertrauten Szenerie und dem dunkler werdenden Horizont. Jetzt sah sie nicht mehr die Kirchtürme und die grauen Klöster. Stattdessen sah sie vor ihrem inneren Auge die ganze Welt, ausgebreitet wie eine glitzernde Landkarte.
    Endlich für sie zum Greifen nah.

Kapitel 15
Foix
     
    E in hartnäckiges Klingeln in den Ohren riss Alice aus dem Schlaf.
    Wo bin ich? Das beige Telefon auf dem Regal über dem Bett klingelte weiter.
    Ach so, natürlich. Ihr Hotelzimmer in Foix. Sie war von der Ausgrabung zurückgekommen, hatte ein wenig gepackt und dann geduscht. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie sich nur für fünf Minuten aufs Bett gelegt hatte.
    Alice tastete nach dem Hörer. »Oui. Allo?«
    Der Hotelbesitzer, Monsieur Annaud, sprach mit der starken dialektalen Einfärbung der Gegend, lauter offene Vokale und nasale Konsonanten. Alice hatte schon Mühe, ihn zu verstehen, wenn sie vor ihm stand. Am Telefon, ohne die Hilfe von Augenbrauen und Gesten, war es schlechterdings unmöglich. Er klang wie eine Zeichentrickfigur.
    »Plus lentement, s'il vous plait«, sagte sie, um ihn zu bremsen. »Vous parlez trop vite. Je ne comprends pas.«
    Es entstand eine kurze

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