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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Tür, die zurück nach oben ins Haus führte, beruhigte ihn. Der kurze Gang endete vor einem schweren Samtvorhang an einer schwarzen Eisenstange. Er war golden bestickt, eine Mischung aus ägyptischen Hieroglyphen, astrologischen Symbolen und Sternzeichen.
    Er hob die Hand und zog den Vorhang zurück.
    Dahinter befand sich eine weitere Tür, die offensichtlich sehr viel älter war. Sie war aus dem gleichen dunklen Holz wie die Täfelung in der Eingangshalle oben im Haus, und die Ränder waren mit Schnörkeln und Motiven verziert. Der Mittelteil war völlig schmucklos und mit stecknadelkopfgroßen Holzwurmlöchern übersät. Will sah keine Klinke, keinen Griff, keine Möglichkeit, sie zu öffnen.
    Auf dem steinernen Türsturz waren kunstvolle Verzierungen. Will fuhr mit den Fingern oben über die Tür, tastete nach irgendeiner Verriegelung. Es musste doch eine Möglichkeit geben, die Tür zu öffnen. Er arbeitete sich von oben zunächst an einer Seite abwärts, dann an der anderen, bis er schließlich fündig wurde. Eine kleine Delle knapp über dem Boden.
    Will ging in die Hocke und drückte fest in die Vertiefung. Ein deutliches hohles Klicken ertönte, wie eine Murmel, die auf einen gefliesten Boden fällt. Der Mechanismus gab nach, und die Tür sprang einen Spalt auf.
    Will richtete sich auf. Seine Atmung war ein bisschen unkontrolliert und seine Handflächen feucht. Die Härchen auf den Armen und im Nacken sträubten sich ihm. Nur ein paar Minuten, so sagte er sich, dann nichts wie raus hier. Er wollte sich bloß rasch umsehen. Keine große Sache. Er legte die Hand an die Tür und drückte dagegen.
    Drinnen war es stockfinster, obwohl er gleich spürte, dass er sich in einem größeren Raum befand, vielleicht ein Keller. Der Weihrauchduft war hier sehr viel stärker.
    Will tastete die Wand nach einem Lichtschalter ab, konnte aber nichts finden. Ihm kam die Idee, dass er etwas Licht aus dem Gang bekommen könnte, und er band den dicken Samtstoff zu einem großen Knoten hoch. Dann drehte er sich wieder um und blickte in den Raum.
    Als Erstes sah Will seinen eigenen Schatten, der lang gezogen und schlaksig über die Schwelle fiel. Dann, als seine Augen sich an das braunschwarze Dämmerlicht gewöhnten, sah er schließlich, was da im Dunkeln lag.
    Er stand am Ende einer langen, rechteckigen Kammer. Die Decke war niedrig und gewölbt. Klösterlich wirkende Holzbänke, wie zu einem Refektoriumstisch gehörend, erstreckten sich entlang der beiden Längswände weiter, als er bei dem schwachen Licht sehen konnte. An der Nahtstelle zwischen Wänden und Decke war ein umlaufendes Fries, ein sich wiederholendes Muster aus Worten und Symbolen. Anscheinend dieselben ägyptischen Symbole wie die, die er draußen auf dem Vorhang gesehen hatte.
    Will wischte sich die Hände an seiner Jeans ab. Direkt vor ihm, in der Mitte des Raumes, war eine imposante Steintruhe, wie ein Sarkophag. Er ging ganz um sie herum und strich mit der Hand über ihre Oberfläche. Sie schien ganz glatt zu sein, nur in der Mitte hatte sie ein kreisrundes Motiv. Er beugte sich vor, um besser sehen zu können, und strich mit den Fingern über die Linien. Es war eine Art Muster aus konzentrischen Kreisen wie die Ringe des Saturn.
    Als er noch mehr erkennen konnte, sah er, dass auf allen vier Seiten ein Buchstabe in den Stein geritzt war: oben ein E, N und S einander gegenüber auf den beiden Längsseiten, unten ein O. Die französischen Anfangsbuchstaben der Himmelsrichtungen? Dann bemerkte er einen kleinen Steinblock, etwa dreißig Zentimeter hoch, der vor der Truhe stand, auf einer Linie mit dem E. Er war in der Mitte leicht nach unten geschwungen, wie ein Richtblock.
    Drum herum war der Boden dunkler als sonst. Er sah feucht aus, als wäre dort erst kürzlich geputzt worden. Will ging in die Hocke und rieb mit den Fingern über die Stelle. Desinfektionsmittel und noch etwas anderes, ein säuerlicher Geruch, wie Rost. Unter einer Ecke des Steins klemmte etwas. Will pulte es mit den Fingernägeln heraus.
    Es war ein Stückchen Stoff, Baumwolle oder Leinen, das an den Rändern ausgefranst war, als hätte es sich an einem Nagel verfangen und wäre gerissen. In einer Ecke waren kleine braune Flecken. Wie getrocknetes Blut.
    Sofort ließ er das Stoffstück fallen, lief aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Er löste den Knoten im Vorhang, rannte den Gang entlang, stürmte durch die zweite Tür und dann die steile, enge Treppe hinauf, immer zwei Stufen

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