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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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Janitscharen protestieren. Sie hatten mehrfach darüber gestritten, aber diesmal schwieg er. Da das Kräfteverhältnis auf dem Schlachtfeld im Augenblick ziemlich ausgeglichen schien und es auf jedes Detail ankam, war er gewillt, seine dogmatischen Ideale zugunsten kleiner taktischer Vorteile zurückzustellen. Die Piraten
kämpften viel wilder und hemmungsloser, wenn sie unter Drogen standen. Er wusste nicht, ob sie damit zu einer effektiveren Waffe wurden, aber es bewirkte, dass sie sich den Amerikanern entgegenwarfen und sie allein schon durch die Brutalität ihrer Vorgehensweise empfindlich schwächten, und das war auf jeden Fall gut. Und wenn es dann zum Waffenstillstand kam und die Karten neu gemischt wurden, würden diese Banditen zweifellos arg dezimiert sein, was von Vorteil sein könnte.
    Er wollte sich schon wieder über den Plan beugen, um Ordnung in das Durcheinander der zahlreichen schnörkeligen bunten Linien und Pfeile zu bringen, als draußen vor dem Büro Unruhe aufkam. Zwei der Janitscharen-Wächter schoben einen afrikanischen Jungen vor sich her. Der Emir kannte ihn nicht, aber er sah aus wie ein Straßenkämpfer. An dem verfilzten Tuch, das er um den Hals geschlungen hatte, war er als Fedajin zu erkennen, auch wenn er zweifellos nur ein einfacher Soldat in seiner Truppe sein konnte. Der Junge wehrte sich heftig und machte einen sehr verzweifelten Eindruck. Amin und Dujana schauten verblüfft auf, aber Ahmet Özal wandte sich wutentbrannt vom Tisch ab und ging nach draußen in den größeren Raum.
    »Was zum Donnerwetter geht hier vor?«, brüllte er. »Dieser Junge gehört zu meiner Truppe. Lasst ihn los!«
    Die Janitscharen schienen unsicher, was sie tun sollten. Offensichtlich gab es einen guten Grund, warum sie den Jungen in Gewahrsam genommen hatten. Sie schauten den Emir auffordernd an. Ihre Aufgabe war es, sein Büro zu schützen, und der Junge hatte kein Recht, sich hier aufzuhalten. Aber Özal wachte eifersüchtig über seine Männer, die ihm absolut ergeben waren. Der Emir lächelte seinen beiden Wachposten so freundlich wie möglich zu, als er sie beiseitewinkte und dem Jungen bedeutete, näher zu treten.

    »Wie heißt du denn? Und zu welcher Truppe gehörst du?«
    Özal verzog das Gesicht und antwortete für ihn. »Ich weiß nicht, wie er heißt, Emir, aber an seiner Keffiyah erkenne ich, dass er zu den Leuten von Mustafa Ali auf Ellis Island gehört.«
    Im Raum wurde es ruhig. Der Junge schüttelte die Hand des einen Wächters ab. Er sah verängstigt, aber auch wütend aus. Er sprach in einem langsamen, zögernden Englisch. Dass er kein Arabisch konnte, deutete darauf hin, dass er wahrscheinlich erst kürzlich zum Islam konvertiert war und die Sprache der Fedajin erst noch lernen musste. Dass er in Manhattan kämpfte, wies jedoch darauf hin, dass er über besondere Fähigkeiten und Erfahrungen im Straßenkampf verfügte. Wahrscheinlich kannte er sich mit urbaner Kriegsführung besser aus als der Emir.
    »Ich heiße Yusuf Mohammed, mein Scheich«, sagte der Junge. »Ja, es stimmt, ich war auf Ellis Island dabei.«
    Er schien sich dafür zu schämen, aber das erstaunte den Emir nicht. Alle Männer, die auf Ellis Island gekämpft hatten, waren entweder tot oder gefangen genommen. Wenn es sich um Fedajin handelte, waren sie ausnahmslos umgekommen. Als heilige Krieger hatten sie gelobt, im Kampf zu sterben, notfalls durch die eigene Hand, um den Ungläubigen nicht in die Hände zu fallen. Der Großmufti hatte extra eine Fatwa ausgegeben, die alle Kämpfer freisprach, die sich unter diesen Umständen selbst das Leben nahmen. Im Himmel wurden jene besonders belohnt, denen es gelang, noch einige Feinde mit ins Jenseits zu nehmen. Und nun war der Emir neugierig, wie es diesem Jungen gelungen war, seinem Schicksal zu entgehen, vor allem, weil er die halbe Stadt durchqueren musste, um bis hierher in die Kommandozentrale zu gelangen.
    »Bringt uns Tee und Früchte«, befahl er, ohne jemanden besonders anzusprechen.

    Einer der jüngeren Offiziere eilte hinaus in die kleine Küche im Flur, wo sie einen kleinen Vorrat von Feldrationen aufbewahrten. »Du bist doch sicherlich hungrig und durstig, stimmt’s, Yusuf?«
    Der Junge riss die Augen auf und nickte heftig.
    »Ja, mein Scheich. Aber ich … ich habe nicht …«
    Der Emir lächelte, ging zu ihm, klopfte ihm auf die Schulter und schob ihn auf einen Stuhl. Die Tatsache, dass dieser Yusuf Mohammed mit so großer Achtung und Respekt behandelt

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