Das verlorene Land
wurde, änderte die Atmosphäre im Raum. Jetzt war man nicht mehr überrascht oder alarmiert, sondern neugierig auf das, was als Nächstes kam. Eine kleine Schale mit getrockneten Aprikosen und Datteln wurde auf den Tisch gestellt, dann folgte eine Kanne mit heißem schwarzem Tee.
»Ich fürchte, wir haben weder Milch noch Zucker«, entschuldigte sich der Emir. »Ich vermute, dass du Englisch in irgendeiner Missionarsstation in Kenia oder Uganda gelernt hast?«
Der Junge schaute ihn überrascht an, dann nickte er langsam.
»Ich wurde von Nonnen unterrichtet … Entschuldigung, von Ungläubigen … in einem Dorf in der Nähe von Moroto. Aber ich kann mich nicht mehr an sehr viel aus dieser Zeit erinnern«, fügte er hastig hinzu.
Der schwere Ahmet Özal setzte sich neben dem Jungen auf den Rand des Schreibtischs. Er forderte ihn auf, von den Trockenfrüchten zu essen und etwas Tee zu trinken.
»Du musst wieder zu Kräften kommen, mein Junge. Es ist bestimmt anstrengend gewesen, den Amerikanern zu entkommen und sich zwischen den Serben und Russen hindurch bis hierher durchzuschlagen. Hast du das getan? Bist du am westlichen Ufer durch ihre Gebiete gelaufen?«
Yusuf nickte ängstlich. Es sah so aus, als wollte er zu einer größeren Erklärung ansetzen, um seinen Weg zu beschreiben,
aber Özal schnitt ihm das Wort ab, indem er wieder auf die Früchte deutete.
»Iss noch was, Junge«, sagte er, bevor er sich an die anderen wandte. »Yusuf gehört zu den Konvertiten, die wir unter den Barbaren der Göttlichen Befreiungsarmee im Grenzgebiet zwischen Uganda und Somalia gefunden haben. Größtenteils Kindersoldaten. Wir haben ihnen das Wort des Propheten verkündet und ihre Herzen mit Aufrichtigkeit und Zuversicht erfüllt.«
Der Emir warf dem Jungen einen anerkennenden Blick zu.
»Das war sicherlich eine schwere Zeit für dich, Yusuf. Vor allem nach dem Atomschlag der Israelis. Du hast es trotzdem geschafft zu überleben. Wie alt bist du jetzt, fünfzehn, sechzehn?«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Das weiß ich nicht, mein Scheich. Ich war sehr lange bei der Göttlichen Armee und bin schon als kleiner Junge von ihnen mitgenommen worden.«
Der Emir zeigte deutlich sein Mitgefühl.
»Ich kann mir denken, dass du, nachdem du den größten Teil deines Lebens gezwungen wurdest, zu kämpfen, lieber etwas anderes getan hättest, als die Fedajin dich befreit hatten. Ich danke dir, Yusuf, dass du den Glauben und den Mut gefunden hast, dich nicht davonzustehlen. Es war gut von dir, dass du hierher in diese Stadt gekommen bist und auf Ellis Island gekämpft hast. Und noch viel besser war es, dass du dich auf den Weg zurück zu uns begeben hast, um uns deine Fähigkeiten für die künftigen Kämpfe zur Verfügung zu stellen.«
Niemand sagte etwas, keiner traute sich Atem zu holen, als der Emir dem dünnen afrikanischen Jungen für seine Ergebenheit dankte. In der Ferne war das unausgesetzte Donnern der Geschütze zu hören. Die Amerikaner verschwendeten Unmengen an Artilleriemunition, um die Gotteskrieger und ihre Verbündeten, die sich auf die Südseite der
Insel zurückgezogen hatten, zu vernichten. Das Heulen der Kampfjets, das dumpfe Dröhnen der Hubschrauber und das gelegentliche Tock-Tock-Tock der schweren Waffen ließ nicht nach. Aber hier, in dem stickigen Büroraum im dritten Stock, in dem der Emir zwischenzeitlich seinen Kommandoposten eingerichtet hatte, war es nun angenehm ruhig. Yusuf Mohammed schien überwältigt. Tränen traten ihm in die Augen, und er begann zu zittern. Dann schluchzte er auf.
»Aber ich bin es nicht wert … ich habe nicht …«
Der Emir drückte seine Schulter und hieß ihn still zu sein.
»Nur Gott kann unseren Wert beurteilen, wenn das Ende unserer Tage gekommen ist, Yusuf. Es ist nicht meine Aufgabe, über dich zu richten, denn du hast eine schwere Zeit hinter dir.«
Der Junge wischte sich die Tränen ab und biss die Zähne zusammen, um wenigstens noch eine Spur von Würde zu behalten.
»Willst du immer noch kämpfen, Yusuf? Willst du Gottes Botschaft unter den Heiden verbreiten, die uns von dieser Insel vertreiben wollen?«
»Ja«, sagte der Junge mit zitternder Stimme. »Immer.«
»Dann wird Gott dich als würdig erachten und Güte und Nachsicht walten lassen, in diesem Leben und im nächsten«, sagte der Emir. »Geh jetzt. Ruh dich aus. Du darfst ein paar Tage in meinem Harem zubringen. Und vergiss nicht, Scheich Özal alles zu erzählen, was du auf Ellis Island und auf
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