Das verlorene Land
»Nachrichtenkanal« nennen würde.
Den schaltete er jetzt ein, als Caitlin sich mit den Händen durch das noch feuchte Haar strich, das sie anschließend zu einem Pferdeschwanz band. Sie hatte genug Zeit für eine kurze Dusche gehabt, aber viel mehr auch nicht. Immerhin war das Wasser einigermaßen heiß gewesen. Bei ihrer letzten Fahrt zum »Käfig« war das Warmwasser im Hotel seit zwei Tagen ausgefallen, und auf der Rückreise hatte es stark nach Schwefel gerochen. Dalby steuerte den Wagen aus der Tiefgarage, während Charlotte Green einen Bericht über die Qualität von Weizen und Soja aus Wiltshire abgab.
»Dazu haben wir auch gehört«, sagte Caitlin. »Bret war auf dem Weg zu einer Besprechung in Swindon, als Richardsons Bande ihn abgefangen hat.«
Dalby bog in die Whitechapel Road ein und dann auf die Zufahrt zur A-13. Der Verkehr war spärlich wie immer, nur einige Laster und Lieferwagen waren unterwegs und ein Bus, der aus den Vorstädten kam. Erst nach drei Minuten kam ein anderes Privatauto in Sicht. Die meisten Geschäfte an dieser ehemaligen Einkaufsstraße waren noch immer geschlossen, viele waren verrammelt. Hier und da bemerkte sie jedoch ein neues Café oder einen gerade eröffneten Klamottenladen. Vielleicht hatte der Finanzminister ja nicht völligen Blödsinn geredet, als er davon sprach, es gäbe »ermutigende Anzeichen für eine Erholung der britischen Wirtschaft, die die zerstörerischen Folgen des Effekts auf die Weltökonomie langsam ausgleichen« würden. Immerhin waren die Bestellungen für den Ziegenkäse, der auf Brets Farm hergestellt wurde, in den letzten drei Monaten gestiegen, und das war immerhin ein recht luxuriöses Lebensmittel. Er hatte mit der Produktion angefangen, nachdem er einen typisch englischen Artikel über »handwerkliche Käsefertigung« in der Encyclopedia Britannica gelesen hatte.
»Mögen Sie das Farmleben, Caitlin? Ihre Familie kommt ja nicht aus diesem Bereich, oder? Landwirtschaft, meine ich. Wenn ich das richtig gelesen habe, sind Sie das Kind eines Air-Force-Offiziers.«
Das hatte sie ihm nie erzählt, aber es überraschte sie nicht, dass er darüber Bescheid wusste. Als man ihn zu ihrem Verbindungsmann ernannt hatte, hatte er sich bestimmt sofort ihre Personalakte kommen lassen und wahrscheinlich auch mit ihrem alten Betreuer Wales Larrison gesprochen, mit dem sie früher von Vancouver aus operiert hatte.
»Meine Großeltern mütterlicherseits haben eine Weile in Oklahoma im Staub gescharrt«, sagte sie. »Aber nicht sehr lange. So gesehen komme ich also nicht aus einer bäuerlichen Familie. Aber es gefällt mir. Es ist eine … friedliche Tätigkeit, wissen Sie. Auch wenn man um vier Uhr morgens aufstehen muss, um die Kühe im eiskalten Stall zu melken … es ist besser, als in einer beschissenen Zelle in Noisey le Sec zu hocken, das kann ich Ihnen sagen.«
»Darüber müssen Sie mir nichts erzählen«, sagte er nüchtern.
Die Sechs-Uhr-Nachrichten im Radio begannen, gesprochen von Alan Smith.
»Die Kämpfe in New York dauern an«, sagte er. »Nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Präsident James Kipper setzen die Truppen der Vereinigten Staaten ihre Gegenoffensive fort und stoßen weiterhin auf heftigen Widerstand. Heute Morgen soll unter der Leitung von Premierminister Howard das nationale Sicherheitskabinett zusammentreten, um über mögliche Hilfeleistungen für die US-Regierung zu beraten.«
»Glauben Sie, dass es tatsächlich ein Attentatsversuch auf Kipper war?«, fragte Dalby, als sie an einem Konvoi des Ministeriums für Ressourcen vorbeifuhren, der sich auf dem Weg in die Stadt befand. »Ich meine nur, es wirkt
doch ziemlich ungeschickt, derart loszuschlagen, wenn es nur um eine Person geht. Es ist ja nicht so, dass euer Mr. Kipper sich nicht ständig auf dem Silbertablett servieren würde, wo er doch Wert darauf legt, sich ständig unter seine Bürger zu mischen und ähnlichen Unsinn macht.«
»Na, na, Dalby«, sagte Caitlin amüsiert. »Einen solchen missbilligenden Unterton habe ich noch nie von Ihnen gehört. Sie sind wohl kein großer Kipper-Anhänger, was?«
Der Agent wurde beinahe rot, weil sie ihn bei einer Indiskretion ertappt hatte.
»Oh, ich möchte mir gar keine Meinung bezüglich der Politik der US-Regierung erlauben. Ich finde die Unmenge von neuen grünen Parteien und Weltuntergangspropheten gelinde gesagt erstaunlich. Bestimmt sehnen sich Ihre Landsleute nach der guten alten Zeit zurück, als es nur zwei Parteien
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