Das verlorene Land
zu kommen – Satellit, Telefon oder was?«
»Ich denke, das wäre wohl möglich«, sagte Culver. »Aber sie werden die Army damit nicht reinlegen. Dass sie eingebettet sind, nützt ihnen ja etwas. Es bedeutet auch, dass ihre Websites gelesen werden. Die meisten werden sich also hüten, diese lukrative Zusammenarbeit aufzukündigen. Sie gehören dazu. Sehen Sie sich doch an, was nach dem Angriff passiert ist. Ich hatte Unrecht, als ich dachte, sie würden uns die Opfer im Castle Clinton ankreiden. Sogar Arianna lechzt jetzt nach Piratenblut. Ich glaube, es hat was gebracht, dass wir unseren Hubschrauber für den Verwundetentransport freigegeben haben.«
Kipper runzelte die Stirn.
»Aber Jed, das war doch keine kalte Berechnung. Diese Menschen wären sonst gestorben.«
»Ich weiß, ich weiß«, entschuldigte sich Culver. »Aber irgendjemand muss sich auch hässliche Gedanken machen in dieser Regierung, Mr. President. Und das bringt uns direkt zu Blackstone. Ich habe da ein paar Ideen …«
»Warten Sie noch damit, Jed. Über Ihr Texas-Problem können wir auch später noch reden.«
»Mein Texas-Problem?«, fragte Jed schelmisch.
»Genau«, grinste Kipper. »Ihr Problem. Haben Sie das Memo nicht bekommen? Ich bin mir sicher, dass es da ein Memo gab. Wie auch immer, darüber sprechen wir später.
Im Augenblick möchte ich mit jemandem über eine Bombe sprechen.«
»Da müssen Sie sich noch etwas gedulden, Mr. President«, sagte Jed Culver mit einem zufriedenen Unterton. »In Honolulu ist es jetzt drei Uhr morgens. Damit hätten wir jede Menge Zeit, uns mit meinem Texas-Problem zu beschäftigen.«
Der Mann, dessen Aufgabe es war, die strategischen Abschreckungswaffen der Vereinigten Staaten von Amerika zu überwachen und zu erhalten, stand kurz nach Sonnenaufgang da und schaute auf den hellblauen Himmel über dem Pazifik. Vor ihm auf dem Schreibtisch stand ein unberührtes Glas mit Fruchtsaft auf einer Papierserviette, während er die Videoverbindung mit seinem Oberkommandierenden erwartete. Und während er wartete, schaute sich Admiral James Ritchie die letzten Meldungen vom Zustand der pazifischen U-Boot-Flotte an. Sechs Atom-U-Boote der Ohio-Klasse waren noch übrig. Vor dem Effekt waren es achtzehn gewesen, die nach einem speziellen Muster verteilt worden waren, um eine möglichst große Erreichbarkeit der potenziellen Ziele auf dem Globus zu gewährleisten. Nach sechzig Jahren, in denen die grauenhafte Aussicht auf einen Nuklearkrieg mitunter das Einzige gewesen war, das ihn verhindert hatte, hatten sich manche von dieser Art der Kriegsführung mit Grausen abgewendet. Die Anzahl der Toten bei dem nuklearen Erstschlag der Israelis im Jahr 2003 wurde inzwischen auf 600 Millionen geschätzt, und noch immer starben Menschen an den Folgen. Damit war die Menschheit zu einem gewichtigen Teil dezimiert worden.
Aber in moralischer Hinsicht konnte er sich nicht darüber erheben, denn er hatte seinen Teil dazu beigetragen, als er einen nuklearen Warnschuss auf Hugo Chavez abgab.
Drei Monate später hatten die Russen drei ihrer ehemaligen Republiken mit Atomwaffen bombardiert. Und im indisch-pakistanischen Krieg waren weitere zweihundert Millionen Menschen umgekommen, bevor die übrig gebliebenen Nuklearmächte interveniert hatten und den beiden Ländern mit einer generellen Auslöschung gedroht hatten. In der Zwischenzeit hatte Brasilien sein Nuklearprogramm für die Südamerikanische Föderation wiederbelebt, was Ritchie schon lange vor den Medien gewusst hatte. Und kaum eine Woche später hatte der australische Botschafter ihn angerufen und nachgefragt, ob er zwei stillgelegte Atom-U-Boote in das rasch anwachsende Waffenarsenal seines Landes überführen dürfte. Manchmal dachte Ritchie, dass es wirklich ein Wunder war, dass überhaupt noch jemand auf diesem armen Planeten am Leben war.
»Verbindung ist sicher«, sagte ein Verbindungsoffizier der Army auf dem 25-Zoll-Bildschirm und unterbrach damit Ritchies Gedankengänge.
Präsident James Kipper erschien auf dem Sony-Display, sein Bild war leicht verzerrt und unklar. Im Hintergrund saß Stabschef Culver mit einem Stift in der Hand. Niemand sonst schien in dem Zimmer zu sein, das wie ein Konferenzraum in einem Hotel aussah. Ritchie hatte lange genug für Kippers Regierung gearbeitet, um die informelle Art des Präsidenten zu kennen, aber manchmal fragte er sich schon, ob Kipper klar war, dass er nicht bloß einen Stadtrat leitete, sondern ein ganzes
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