Das verlorene Land
haben eine Inventarliste aller Waffen und ihres Zustands erstellt. Das war nichts weiter als eine Fleißarbeit. Die Depots sind alle vollkommen sicher.«
Sie wurden geschützt, das wusste Ritchie sehr genau, von einer ganzen Reihe von W-62 und/oder W-78 Nuklearsprengköpfen, die um jede dieser Einrichtungen herum angeordnet waren. Diese Köpfe hatten eine Sprengkraft von 170 bis über 300 Kilotonnen und wurden wiederum geschützt von einem weiteren Kreis von Anti-Personen-Waffen sowie von Satelliten und Videoanlagen überwacht. Die Sprengköpfe waren so eingerichtet, dass sie eine entsprechende Anlage wie das Deseret Chemical Depot in Utah oder die Johnston Atoll Strategic Weapons Reserve im Pazifischen Ozean mit einem größtmöglichen Effekt zerstören konnten. Eine von Ritchies Aufgaben war es, sämtliche Massenvernichtungswaffen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu sichern. Da seine tausend Mann starke Strategic Command Security Force nicht ausreichte, um alle diese Einrichtungen direkt zu schützen, war es logisch, dass man darauf verfallen war, sie ganz einfach mit Sprengfallen zu versehen. Vor allem angesichts der wankelmütigen Loyalitäten in bestimmten Teilen der US-Army war das angebracht. Blackstones Sirenengesang hatte auch schon Ritchies Truppe erreicht, allerdings war der Admiral
sich ziemlich sicher, dass die meisten seiner Marinesoldaten sich nicht von dem Mann bezirzen ließen, der einen Terrorfeldzug gegen Einwanderer in Texas vom Zaun gebrochen hatte.
Falls der verrückte Blackstone allerdings in den Besitz von Nuklearwaffen käme …
»Ich weiß, dass Sie kein Experte für Landoperationen sind, Admiral«, sagte Kipper. »Aber vielleicht haben Sie ja doch ein paar Ideen, um uns bei den aktuellen Problemen zu helfen? In New York, meine ich.«
Ritchie bemühte sich, seinen Alptraum zu vergessen, und schüttelte den Kopf: »Ich fürchte, es wird keine einfache Lösung geben, Mr. President. Das ist grundsätzlich immer so. Aber Sie sollten Folgendes bedenken: Wie lange wird New York noch stehen, wenn der Mensch nicht eingreift? Wir haben schon starke Verfallserscheinungen an einigen Orten festgestellt, die wir wiederbesiedelt haben, das sehe ich doch richtig?«
Der Präsident nickte.
»Selbst wenn wir das gesamte Gebiet von New York unter unsere Kontrolle bringen, und ich stimme zu, dass das irgendwie gelingen muss, wie lange wird es dann noch dauern, bis wir den gesamten Lebensraum dort wieder nutzen?«, fragte Ritchie.
Culver beugte sich vor. »Wenn die gegenwärtige Tendenz bei der Einwanderung anhält und die Geburtenrate so bleibt, wird es vielleicht noch hundert Jahre dauern.«
Ritchie nickte. »Angesichts dieser Tatsache, Mr. President, wäre es ratsam, alles zu demontieren und etwas Neues aufzubauen. Natürlich nicht wir, aber Sie wissen, was ich meine. Die Natur wird die Stadt zerstören, auch wenn wir die Piraten daraus vertrieben haben.«
»Was schlagen Sie also vor, Admiral?«
Ritchie war nicht wohl bei dem Gedanken, einen Vorschlag unterbreiten zu müssen. Das Bild von Atompilzen,
die sich über der toten Stadt auftürmten und die Piraten vernichten sollten, war einfach zu viel für ihn.
»Ich hätte da eine Lösung, die nicht ganz einfach ist, Mr. President. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
Kipper sah nicht sehr glücklich aus. Ihm war klar, dass Ritchie es am liebsten gehabt hätte, sie ließen die Sache jetzt auf sich beruhen, aber das ging nicht mehr.
»Darf ich frei sprechen, Sir?«
Kipper schien überrascht zu sein, dass er das fragte, aber er war ja auch kein Militär und auch kein Karrierepolitiker.
»Bitte, fahren Sie fort«, sagte er.
»Mr. President, ich weiß, dass es eine schreckliche Sache ist, Männer und Frauen aufs Schlachtfeld zu schicken. Wenn man auch nur zur Hälfte ein anständiger Mensch ist, dann drückt eine solche Entscheidung schwer aufs Gemüt. Aber nur deshalb, weil es uns schwerfällt und eine moralische Herausforderung darstellt, ist es nicht unbedingt falsch. Die Männer und Frauen, die wir losschicken, wurden nicht zum Dienst an der Waffe gezwungen, und es war auch keine normale Berufswahl. Es war eine Berufung. Keine Nation auf der Erde kann längere Zeit überleben, wenn sie nicht über Menschen verfügt, die diese Berufung annehmen. Keine Nation kann überleben, wenn sie die Aufopferungsbereitschaft dieser Menschen nicht respektiert, und die schlimmen Dinge akzeptiert, die uns von der Geschichte manchmal abverlangt werden.
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