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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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Ihre Kutsche wartet! Und der Kutscher ist schon ziemlich sauer!«
    Einen kurzen Augenblick träumte sie sich in eine Aschenputtel-Welt, wo sie von einem jungen Prinzen in einer Kutsche mit hübschen Pferden erwartet wurde, aber dann wurde sie von Rhinos lauten Rufen und dem Klopfen an der Tür endgültig in die Wirklichkeit geholt.
    »Na los, machen Sie schon. Die ziehen uns einen ganzen Wochenlohn ab, wenn wir zu spät kommen«, schrie er ganz unromantisch durch die Tür.
    Julianne fragte sich erschöpft, was ihn das überhaupt kümmerte, schließlich war ihre Arbeit doch nur Tarnung. Ihren Lohn würden sie bekommen, wenn sie das Paket für die Rubin-Kommission nach Seattle gebracht hatten. Dagegen wirkte das bisschen Geld, das sie hier verdienten, einfach nur lächerlich.
    Sie wollte schon etwas erwidern, als eine heftige, völlig unerwartete Detonation sie unterbrach.

    Die schmierigen Fenster zersprangen, das Glas spritzte ins Zimmer. Schrapnelle zischten durch die Luft und bohrten sich in die vertäfelten Wände. Schwarzer Rauch quoll durchs Fenster, und gleichzeitig wurde das Gebäude bis in die Grundfesten erschüttert. Die Explosion brachte das Hotel derart ins Schwanken, dass sie fürchtete, die Mauern um sie herum würden jeden Moment einstürzen. Jules flog vom Rand des Bettes auf den Boden, das Kissen fiel auf ihren Kopf. Die Glassplitter der Lampe, die sie in der Nacht heruntergeworfen hatte, schnitten ihr schmerzhaft in die Hände.
    Die schweren Erschütterungen ließen nach und wurden von einer ganzen Reihe kleinerer, schärferer Explosionen gefolgt, die sie als Raketeneinschläge identifizierte. Maschinengewehrfeuer wurde in Richtung auf die Raketen abgeschossen, offenbar hatte jemand eine alte Flugabwehrkanone auf dem Dach in Stellung gebracht, mit der man nun versuchte, die Raketen abzuwehren. Ob das etwas brachte, konnte sie nicht erkennen.
    Erinnerungen an die Gefechte auf hoher See kamen ihr in den Sinn. Ein wildes Durcheinander von Bildern, Geräuschen und unangenehmen Gerüchen brach über sie herein, und hinzu kam ein plötzlicher Anfall von Trauer, als sie an die Freunde dachte, die sie verloren hatte. Das alles geschah in dem kurzen Augenblick, als die Detonationen ein weiteres Fenster zerschmetterten. Die schweren Vorhänge schützten sie vor dem Glassplitterregen, aber nicht vor der Nachttischlampe, die mit ihrem schweren Sockel auf ihrem nackten Fuß landete.
    »Jules, ist alles in Ordnung?«, rief Rhino.
    »Mir geht’s gut. Bleib draußen. Zu gefährlich hier«, rief sie zurück, während sie sich gleichzeitig abmühte, ihre dreckigen Jeans von gestern anzuziehen, was nicht so einfach war mit ihren schmierigen Vaseline-Händen. Rhino trat trotzdem die Tür ein, und als sie aufschaute, bemerkte
sie seinen erstaunten Blick angesichts der leuchtend rosafarbenen Latexhandschuhe. Sie schienen ihn genauso zu beunruhigen wie die Tatsache, dass gerade ein Raketenangriff auf die Grüne Zone stattfand.
    »Frag nicht«, sagte sie knapp, riss sich die Plastikdinger von den Händen und rieb sich die Vaseline mit dem Betttuch ab. »Was ist denn da draußen los? Piraten? Ein Überfall oder was?«
    Rhino zuckte mit den Schultern und duckte sich instinktiv, als eine Rakete aufheulte und einige Stockwerke unter ihnen detonierte.
    »Das ist kein einfacher Überfall. Die nehmen uns unter Dauerbeschuss.«
    Jules nickte. Es war nicht ungewöhnlich, dass ab und zu eine Granate oder eine Rakete in der Grünen Zone herunterkam. Deshalb hatten sie ja die Abwehrkanonen auf dem Dach, damit wenigstens einige von ihnen abgefangen werden konnten. Die Freibeuter ließen Seattle gern wissen, dass sie die Stadt dem Staat nicht kampflos überlassen würden. Aber diese Angriffe waren in der Regel recht bescheiden und unkoordiniert. Diese Sache hier fühlte sich dagegen an, als hätte sich jemand entschlossen, das gesamte Gebiet zu erobern.
    »Ich glaube, das mit unserer Arbeit hat sich erledigt, Rhino«, sagte Julianne, während sie ihre Carhartt-Boots und die dicke Lederjacke anzog. »Zeit, sich davonzumachen.«
    Eine weitere schwere Granate, die die Mauer des Gebäudes traf, ließ den Fußboden erzittern. Glasscherben und Mauerteile fielen vor dem zerstörten Fenster herunter, das ganze Zimmer knirschte und stöhnte, als eine Reihe von Explosionen alles erschütterte.
    Rhino schaute sie skeptisch an. »In diesem Durcheinander?«
    Jules hörte die ersten Schüsse aus kleinkalibrigen Feuerwaffen inmitten des Lärms. Wenn

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