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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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auf, gaben aber kein Zeichen von Gefahr. Miguel nahm sich die Zeit, das Gebäude genauer anzusehen. Ein kleiner Anbau, der wohl mal ein Diner beherbergt hatte, schien noch recht stabil zu sein. Die Fenster waren heil, so dass Wind und Wetter noch nicht darin gewütet hatten. Im Licht der untergehenden Sonne konnte er erkennen, dass drei der vier Plastiktische am Tag des Großen Verschwindens besetzt gewesen waren. Kleiderhaufen, schwärzlich verschmutzt mit den organischen Resten zerschmolzener Körper lagen auf einem halben Dutzend Stühlen. Davor standen Teller mit Essen beziehungsweise dem, was von diesem Essen übrig geblieben war. Rote und gelbe Plastikflaschen standen auf
den Tischen und daneben ausgetrocknete Glasfläschchen mit McIlhenny’s Tabascosauce.
    Unwillkürlich schüttelte Miguel den Kopf, als ihm einfiel, wie fade das Zeug schmeckte, das die Gringos Pfeffersauce nannten. Für ihn war das alles bloß billiger Ketchup.
    Abgesehen von einigen Knochen, die noch herumlagen, schienen die Ratten und Insekten die Essensreste weggefressen zu haben. Vielleicht hatten sie ja auch die kärglichen Überreste der einstigen Gäste vertilgt. Er sog die Luft durch die Nase und erwartete Verwesungsgeruch, aber nach drei Sommern waren alle Reste vertrocknet. Er stieß die Tür auf, schnüffelte und kam zu dem Schluss, dass es wohl so sein musste. Staub und Überreste und dieser leichte metallische Geruch, der überall dort wahrzunehmen war, wo Menschen von dieser mysteriösen Energiewelle eliminiert worden waren.
    »Sitz«, befahl er den Hunden und fügte hinzu: »Draußen.« Sie würden das Gebäude ohne ausdrückliche Aufforderung nicht betreten. Er wollte nicht, dass sie an den menschlichen Überresten herummachten. Das wäre respektlos gewesen. Wie alle, die in der Welt nach dem Effekt lebten, hatte auch Miguel sich an den Anblick der Verschwundenen gewöhnt. Aber im Gegensatz zu manchen hatte er nie vergessen, dass diese Verschwundenen ebenfalls Kinder Gottes gewesen waren. Sie hatten Seelen besessen und hatten die Welt verlassen, ohne Segnungen und Riten, die allen Menschen zustanden, die sich auf die Reise in ihr nächstes Leben begaben. Wenn er seinen Hunden erlauben würde, an ihren Überresten zu nagen, dann wäre das in seinen Augen eine üble Beleidigung der Toten gewesen, die ja auch so schon ein schlimmes Schicksal ereilt hatte.
    »Ich schaue jetzt mal drinnen nach«, rief er Sofia zu. »Du passt gut auf und kommst sofort zu mir, wenn du irgendjemanden kommen siehst.«

    Sie nickte heftiger, als er es gedacht hätte, und ging nach draußen, wo sie den Weg, den sie vom Waldrand genommen hatten, besser im Blick hatte.
    Miguel ging über die knarrenden Bretter der Veranda zum Haupteingang des Ladens. Die Sonne stand jetzt sehr tief, und im Innern war es recht dunkel. Er holte seine Taschenlampe hervor, die er in der einen Hand hielt, während er mit der anderen das Gewehr im Anschlag hielt. Er sah ein paar Frauenstiefel von Levi’s, ein kariertes Hemd und einen Hut direkt vor seinen Füßen. Die Kleider sahen steif aus und waren teilweise schwarz. Er betrat den Laden und fand zwei weitere Kleiderhaufen im Gang zwischen den Regalen. Nein, es waren drei, das Baby-Tragetuch hatte er auf den ersten Blick übersehen. Wahrscheinlich lagen noch weitere Reste hinter dem Verkaufstresen, aber im Moment kam es nur darauf an, dass der Laden leer war und sicher.
    Miguel fand ein paar Kerosinlampen und brachte sie nach einigen Minuten auch zum Leuchten, und nun hatte er ausreichend Licht. Er ging die Regale entlang und überlegte, welche Dinge er morgen früh einpacken sollte und was ihnen heute Abend und in der Nacht nützlich wäre. Ein versiegeltes Glas mit Dörrfleisch, das auf dem Tresen stand, schnappte er sich gleich. Es wäre genau das Richtige für die Hunde. Er schaute hinter den Tresen und stellte überrascht fest, dass dort keine menschlichen Überreste lagen. Aber eine Falltür war dort zu sehen, was er mit Erleichterung zur Kenntnis nahm. Die Lebensmitteldosen auf den Regalen waren wahrscheinlich noch genießbar, auch nach drei Jahren. Aber sie hatten sicherlich hohe Temperaturen abbekommen, auch wenn das Klima in letzter Zeit deutlich abgekühlt war, und er wollte Sofia nicht der Gefahr einer Lebensmittelvergiftung aussetzen. Wenn es hier einen guten Keller gab, dann würden die Vorräte dort unten ganz bestimmt noch in Ordnung sein.

    Dieser Ort hier schien gut geeignet, um die erste Nacht hier zu

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