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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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doch nicht über Weihnachten allein lassen.
    Armer Ivan.
    Francis, warum hast du diese Hände gestohlen?
    Sie sind ein Weihnachtsgeschenk.
    Wenn du sie nicht zurückbringst, werde ich gezwungen sein, dich zu melden.
    Und dann werden sie dich fragen, woher du das weißt. Wie konntest du Augenzeuge des Diebstahls werden? Und wenn du es ihnen erklärst, werden sie dich merkwürdig ansehen, die Arzte rufen und dich einsperren. Sie werden neue Hände machen, Ivan. Er wird aussehen wie zuvor.
    Aber ich werde es wissen.
    Frohe Weihnachten.
    Francis, geh nicht.
    Ich muss, der Wächter wird zurückkommen.
    Ich habe Angst. Es ist wegen dem jungen Mann ohne Hände. Menschen sollten Hände haben. Ohne Hände sieht er nicht mehr aus wie ein Mensch, er sieht nur noch aus wie ein Modell. Und wegen ihm sehen auch die anderen aus wie Modelle. Bitte, bring die Hände zurück.
    Frohe Weihnachten.
    Dann nimm die ganze Figur mit.
    Ich will nur die Hände.
    Ich habe Angst. Sieh nur, meine Hände zittern, meine Hände wollen, dass ich sie abschneide und sie dem jungen Mann gebe.
    Ivan, er ist aus Wachs.
    Du verrätst uns.
    Warum gehen wir nicht zusammen?
    Bleib hier bei uns. Alles wird sein wie vorher.
    Ich muss nach Hause. Ich muss die Hände hier abliefern.
    Ich glaube, eines Tages wird jemand hereinkommen, einer von den hohen Tieren, und mich aus der Ausstellung entfernen. Sie werden mich hochheben und rausschleifen. Sie werden mich in einen kalten Raum stecken und die Tür abschließen. Aber selbst dann werde ich noch stillstehen. Ich werde mich nicht bewegen. Und vielleicht Tage oder Wochen später werden sie in diesen Raum zurückkommen und meine Arme oder Beine abziehen, um sie jemand anderem zu geben, einem anderen Modell. Dann werden sie den Rest von mir verbrennen. Und eines ist sicher, wenn ich brenne, wird mein Fleisch von mir abtropfen wie Wachs.
    Ich denke, du solltest die Ausstellung verlassen. Es wird dir gut tun. Komm mit mir.
    Du bist eifersüchtig.
    Nein, Ivan.
    Ivan nahm wieder seine unbewegliche Haltung ein und sagte kein Wort mehr.
Weihnachtsmorgen
    Am Morgen des ersten Weihnachtstages ging ich zu Wohnung 18. Anna Tap saß mir am Tisch gegenüber.
    Anna, du kannst meine Hände berühren.
    Wachshände ragten aus den Armein meines Pullovers, meine eigenen, behandschuhten Hände steckten weiter oben und hielten die wächsernen Handgelenke. Sie berührte meine beiden Ellbogen und ließ ihre Finger langsam meine Unterarme hinuntergleiten. Sie berührte meine Hände.
    Sie sind so kalt.
    Sie tastete sie ab.
    Sie sind so hart.
    Sie ergriff die Finger und zog sie behutsam zu sich. Die Wachshände lösten sich. Sie spürte ihr Gewicht. Sie knallten auf den Tisch. Anna schrie.
    Es sind meine Hände, das sind meine Finger und Knöchel. Wachsabdrücke, die mein Freund William gemacht hat.
    Noch ein Auftrag?
    Nicht für mich, sondern für das Wachsfigurenmuseum. Sie waren für eine Wachsfigur. Jetzt gehören sie dir. Meine Hände. Ein Geschenk von mir. Frohe Weihnachten.
    Und was schenkte Anna mir zu Weihnachten? Eine Brille. Eine Brille, die mir ohnehin schon gehörte. Eine Brille, die zur Ausstellung gehörte, die nur eine Leihgabe war. Dann war es also eine frohe Weihnacht? Nein, nicht wirklich.
Ein Schatten namens Tap
    Anna Tap, blind, Mitte Zwanzig bis Anfang Dreißig, in einem blauen Kleid, in schwarzen Schuhen, müsse, sagte sie, immer bei mir bleiben. Sie sagte, sie fühle sich nicht wohl, wenn ich nicht in ihrer Nähe wäre. Sie wollte nicht allein gelassen werden. Wenn man sie im größten Zimmer von Wohnung 6 zurückließ, machte sie sich auf die Suche nach mir. Sie folgte mir hinunter in den Keller, fand die Tür zum Tunnel und hörte erst auf zu klopfen, nachdem ich sie hereingelassen hatte:
    Ich habe im Moment zu tun. Geh wieder nach oben.
    Ich werde dich nicht stören. Ich werde einfach hier sitzen. Ich gebe keinen Laut von mir, du wirst gar nicht merken, dass ich da bin. Ich setzte meine Arbeit fort. Ich mag deine Ausstellung, Francis. Oder beinahe. Ich glaube, ich habe sie nicht ganz verstanden. Du sagtest, es sei eine Ausstellung der Liebe. Aber das habe ich nicht gesehen, ich habe nur abgelegte oder gestohlene Gegenstände gesehen. Vielleicht solltest du mir von den anderen Exponaten erzählen, die ich nicht mehr zu sehen bekommen habe. Vielleicht solltest du mir deinen Katalog vorlesen. Nein, niemals.
    Sie bestand darauf, mich zu begleiten, wenn ich in die Stadt ging um auf meinem Sockel zu stehen. Sie stellte

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