Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Porzellankaninchen beherbergte. Das Porzellankaninchen hielt eine Porzellanlaterne hoch, die eine winzige Zwanzig-WattBirne enthielt. Diese Lampe gehörte mir. Sie wurde mir geschenkt, als ich noch ein Kind war.
    Die Gegenstände in Mutters Zimmer waren ihre Erinnerungsstützen. Jeder Gegenstand eröffnete ihr eine vergangene Zeit. Wenn es Mutter nicht gelang, sich an ihre glücklicheren Tage zu erinnern, schlug sie die Augen auf und betrachtete die Gegenstände in ihrem Zimmer. Ihr Blick streichelte sie, sie schloß wieder die Augen und nahm das Bild des Gegenstands mit sich zurück in die Vergangenheit. Für eine Person öffnete Mutter niemals die Augen, nur für Gegenstände, diese gewissen, in ihrem Zimmer versammelten Gegenstände. Ich hatte schon einige Jahre nicht mehr die Augen meiner Mutter gesehen, die blau waren.
    Als ich am nächsten Morgen dann zu Mutter hineinging, um ihr von dem neuen Bewohner zu erzählen und sie um Rat zu fragen, nahm sie meine Anwesenheit nicht einmal zur Kenntnis. Ich ging häufig in ihr Schlafzimmer, um mit ihr zu sprechen, um ihr meine Ängste zu erzählen, und ich fühlte mich, auch wenn Mutter nie antwortete, dadurch getröstet, dass sie einfach da war, ruhig atmete und mich nie unterbrach. Aber an diesem Morgen, mit solchen Neuigkeiten, hoffte ich, sie würde vielleicht etwas zu mir sagen, ich hoffte, sie könnte sich zumindest rühren, um ihrer Beunruhigung Ausdruck zu verleihen, ich hoffte, sie könnte mir vielleicht irgendwie zeigen, daß ich ihr Mitgefühl und Verständnis hatte. Aber sie ergriff meine behandschuhte Hand nicht und drückte sie auch nicht fest, sie behielt die Augen geschlossen, behielt ihr langes, graues Haar reglos auf dem Kopfkissen, hielt ihr Atmen ruhig und gleichmäßig.
Bewegung
    Die neue Bewohnerin verließ den ganzen Morgen über ihre Wohnung nicht. Ich lauschte eine Stunde lang nach ihren Schritten und ging sogar zweimal in die dritte Etage hinauf, lauschte an der Tür, um mich zu vergewissern, dass sie noch dort war. Aber sie konnte mich nicht den ganzen Tag im Haus halten, wo ich darauf warten würde, dass sie endlich etwas unternahm. In diese Falle ließ ich mich nicht locken, ich würde das Observatorium verlassen, folgen konnte ich ihr auch später noch. An diesem Wochentag nahm ich mir üblicherweise frei, und an allen freien Tagen ging ich in den Park.
    Also verließ ich das Haus und blieb an der Einfahrt des Observatoriums stehen, wo früher einmal ein Tor gewesen war und wo es jetzt nur noch ein Loch in der Ziegelmauer gab. Ich stand an der Grenze unseres Verkehrsinselhauses und beobachtete, wie die Autos um es herumrasten. Ich dachte: Alles fährt herum, aber nichts kommt herein. Ich wartete auf eine Lücke im Verkehrsstrom. Diese Verfahrensweise muß immer durchgespielt werden, wenn man ein Verkehrsinselhaus verläßt. Manchmal dauert es Minuten, bevor sich eine Lücke ergibt, manchmal nur Sekunden und wenn es soweit ist, muss man um sein Leben rennen. Ja, den Verkehr darf man niemals unterschätzen, wenn man ein Verkehrsinselhaus verläßt, dies hatte das kleine Mädchen aus Wohnung 17 auch lernen müssen. Zu spät jedoch. Sie hatte es viel zu eilig, flog über ein Auto und unter das nächste.
    Nachdem ich die erforderliche Lücke gefunden hatte, flitzte ich hinüber zur anderen Straßenseite. Ins Jedermannsland, hinein in die Dummheit der Stadt. Ein Mädchen kaute Kaugummi ich konnte sie kommen riechen. Ein Heranwachsender mit einer Haut, die seine Nahrung verriet, lauschte hämmernden Rhythmen und summte dazu, während er sich bewegte, wobei sein Gang versuchte, der Musik Rechnung zu tragen. Junge, wunderschöne Mädchen klopften mit ihren hochhackigen Hufen. Männer in Anzügen gingen allein und brachten es zuwege, ernst zu sein. Eine alte Frau blieb alle sechs oder sieben Schritte stehen, um nach Luft zu schnappen. Ihr Mund bewegte sich schneller als ihre Beine, sie lutschte ein Bonbon. Kinder rannten (sie lärmten am meisten) und rempelten mich an. Ich beklagte mich nicht. Liebend gern hätte ich mich beklagt, aber dazu fehlte mir der Mut. Für mich war nichts furchterregender als die Jugend.
Die Welt abwägen
    Ich erreichte den Parkeingang. Der Park war kein außergewöhnlicher Park. Es war ein sehr gewöhnlicher Park, ein sehr uninteressanter Park namens Tearsham Park Gardens. Dort stand der Mann, der vor Tearsham Park Gardens arbeitete. Dort stand ein Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, der Öffentlichkeit seine

Weitere Kostenlose Bücher