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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Rauchzimmer, das Eßzimmer. Sie alle waren geteilt worden, getrennt durch Gipskartonplatten. Aber ich hatte mir eingeprägt, wie alles einmal gewesen war. Der Park erinnerte sich. Vater erinnerte sich auch.
    Genau in diesem Park, in seiner kleineren Ausgabe, hatte mein Vater einen Schlaganfall bekommen. Leute brachten ihn nach Hause, seine Haut war kalkweiß. Seitdem hatte er ein herunterhängendes Augenlid, und man konnte die rosa Innenseite des Unterlides sehen. An diesem Tag saß Vater auf einer Bank und betrachtete den kleinen Teil des Parks, über den er einst geherrscht hatte. Er sah Menschen, hörte Geräusche. Er bekam einen Schlaganfall und kippte seitlich von seiner Bank auf den Boden.
Hunde und die Hundedame
    Im Park arbeitete eine Hundedame. Die Hundedame roch nach Hunden, eine Mischung aus Ammoniak mit einem Schuß Erbrochenem, Urin und Scheiße. Die Hundedame trug ein Hundehalsband und Kleider (alt, schmierig). Zusätzlich hatte sie eine Schicht Hundehaare. Sie hatte viele Freunde, ausnahmslos Hunde. Ihre Kleidung war zerrissen, die Haut an ihren Händen, Oberschenkeln, Knöcheln und Brüsten war zerkratzt von den anderen Hunden: Erinnerungen an andere Zeiten. Manche dieser Male waren frisch, noch blutrot unterlaufen, andere waren alt und beinahe hautfarben. Glückliche Zeiten, himmlische Augenblicke.
    In der Stadt gibt es viele Hunde. Sie haben sich eine Art Gesellschaftsordnung gegeben, sich in verschiedene Kasten differenziert: die mit Halsband und die ohne. Die Hundedame mit ihrem schmierigen, verfilzten Haar und ihrem Mundgeruch, der auf eine Ernährung aus Mülltonnen schließen ließ, liebte alle Hunde ohne Halsband. Vollgepißter Schlüpfer. Stets sabbernd. Hundefreund. Sie fütterte die Hunde im Tearsham Park Gardens. Dafür jaulten sie sie an, kratzten sie, leckten sie, bissen sie. Sie fütterte sie mit weggeworfenen Leckerbissen; in einer stillschweigenden Übereinkunft nahm sie die gleiche Nahrung zu sich. Auch sie bellte und knurrte, rollte sich auf dem Boden und schnupperte den anderen Hunden unter dem Schwanz.
    Sie war die Hundedame von Tearsham Park, loyal gegenüber ihrer Brut, gewaltig und vollbusig wie eine große, trächtige Hündin. An diesem Tag saß ich im Park, und sie schleppte sich mit ihren breiten, haarigen Hüften über den beinahe schönen Engel des schönen Mädchens, das ich seit zwei Jahren kannte. Das Mädchen sagte nichts, besserte sofort das verschmierte und verquollen aussehende Gesicht ihres Engels aus, machte es wieder schmal.
    Die Hundedame hatte noch einen anderen Namen, man nannte sie auch Zwanzig. Zwei Namen, die nie in einem Paß auftauchen werden. Zwanzig wurde sie auch genannt, weil sie in Wohnung 20 des Observatoriums lebte. Eine günstig gelegene Hundehütte, so nahe am Park. Man hätte nun denken können, daß Zwanzig lieber bei ihren Hunden draußen schlief. Doch sie zog es vor, dies gerade nicht zu tun, weil sie nicht eines Tages aufwachen wollte und einer ihrer Hundefreunde zerrte ihr gerade die Innereien heraus, weil sie einen Ort brauchte, an dem sie ihre Wunden lecken und ihre Knochen verstecken konnte.
    Wir nannten sie Zwanzig, weil sie sich geweigert hatte, uns ihren richtigen Namen zu verraten. Bevor der neue Bewohner von Wohnung 18 eintraf, war sie der Bewohner, der als letztes in das Observatorium eingezogen war. Sie kam während eines Unwetters an, an einem jener seltenen Tage, wenn der ganze Staub der Stadt von den Wänden, von den Straßen, von den wenigen Bäumen, auch von den Menschen geschält und dann in kalkigen, aschgrauen Farben in die Finsternis der Kanalisation gespült wird.
    Während dieses bestimmten Unwetters nun kletterte Zwanzig, die Hundedame, mit ihrem kranken Hund, einer erbärmlich mageren Dogge, deren Rippen sich durch ihr räudiges Fell bohrten, durch ein offenes Fenster in eine der leerstehenden Wohnungen im Erdgeschoß des Observatoriums. Noch in derselben Nacht, nach vielen Stunden Gewinsel und Gestöhn, starb der Hund mit einem letzten Zucken seiner Hinterläufe. Es war ein großer, schwarzer, häßlicher Kadaver. Er mußte ein Monster von Hund gewesen sein. Ein Hund, der Zwanzig in ihrer Größe ebenbürtig war. Die zwei waren in eine Schlägerei geraten, einen Kampf unter Hunden, und auf der Flucht aus diesem Kampf war die Dogge in den Kreisverkehr hineingeraten. Und wurde prompt angefahren. Sie wurde vom Kotflügel eines Autos gegen die Ziegelmauer des Observatoriums geschleudert und brach sich dabei die

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