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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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reduziert und sorgfältig in ihrer neuen Wohnung verteilt, damit sie sie auch wiederfand, wenn sie blind wurde, eine Maßnahme für die vor ihr liegenden Jahre der andauernden Dunkelheit. Doch dies war nur für den Fall, falls ihre Gebete nicht erhört wurden, erinnerte sie sich, was ja nicht so sein würde, wie sie nachdrücklich betonte. Sie würde dieses Dihydrokodeintartrat nicht benötigen. Was waren schon Pillen, verglichen mit der Stärke des Glaubens?
Claire Higg erinnerte sich (3)
    Dann erinnerte sich Claire Higg, wieder jene Aufmerksamkeit benötigend, die sie während Anna Taps Reminiszenz verloren hatte, jeden Morgen um sieben Uhr eine volle und ungeöffnete Flasche Milch draußen neben ihre Tür gestellt zu haben. Weiterhin erinnerte sie sich, ihre Wohnungstür um halb acht wieder geöffnet zu haben, um besagte Milchflasche hereinzuholen. Und genau in diesem Moment sah man einen gewissen Mr. Alec Magnitt auf dem Weg zur Arbeit seine Wohnung verlassen. Dann sahen sie sich durch den vergitterten Aufzugschacht an. Sie lächelten einander zu, wünschten sich bisweilen einen guten Morgen, machten gelegentlich eine Bemerkung über das Wetter. Das war alles. Aber es war etwas. Wenigstens sah sie ihn jeden Tag. Und alles nur wegen ihrer Milchflaschen. Milchflaschen der Liebe, hatte sie sie früher immer genannt, wie sie sich nun wieder erinnerte. Der arme Alec Magnitt bekam nie heraus, daß der Milchmann gar nicht ins Observatorium kam.
Peter Bugg erinnerte sich (1)
    Und nach dieser Erinnerung schlug Anna Tap vor, sie sollten alle mal eine Pause machen und nahm Zwanzig, die zunehmend unruhiger wurde, mit hinüber in ihre Wohnung, um ihr zu essen zu geben. Peter Bugg, nach hundert verschiedenen Gerüchen riechend, erinnerte sich während der Mittagspause in seinen eigenen, ordentlich aufgeräumten vier Wänden. Er war (bis dahin) nicht bereit, seine Vergangenheit zu teilen, aber auch er erinnerte sich. In seinem größten Zimmer mit der merkwürdigen und völlig unpassenden Tapete (eine Hinterlassenschaft von seinem Vormieter) aus stark vergrößerten Photographien eines fernen Hafens in einem fernen Land mit bizarren Schiffen und spärlich bekleideten Fischern ließ Peter Bugg seine Erinnerungen herein. Er starrte seine eigenen Photos an, eingeschlossen in Rahmen, Photos von Schulkindern, die sich für ihre jährlichen Porträts zusammendrängten. Diese Jungen waren ordentlich über Schiffen, Fischern und Hafengebäuden aufgehängt worden, doch Peter Bugg sah nicht den fremdländischen Hafen, er sah nur die Jungen aus seinem Leben. Er gab dem Gesicht jedes einzelnen dieser lächelnden Jungen einen Namen. Dann fiel sein Blick zufällig, denn er versuchte, niemals in diese Ecke zu schauen, auf eine Schwarzweißphotographie mit dem Gesicht seines Vaters. Und er erinnerte sich, wie sich dieses Gesicht seines Vaters bewegte. Dann fing er an, noch ein wenig mehr als üblich zu schwitzen und zu weinen. Und indem er das tat, erinnerte er sich an eine Zeit, als er weder weinte noch schwitzte. Als jedoch seine Erinnerungen auf seinen Vater gekommen waren, wollte sein Vater ihn nicht mehr loslassen.
    Er fixierte seinen Sohn auf seinem Platz, beobachtete, wie sein Sohn versteinert in seinem Sessel versank. Erinnerst du dich an diese Angst, Ronnie? denn sein Vater nannte ihn immer Ronnie, daran erinnerte er sich, konnte es nicht vergessen, o ja, Ronnie erinnerte sich an die Angst. Es war die gleiche Angst, erinnerte er sich, die er so gelassen an seine Schüler weitergab. Und ganz besonders an einen Schüler. Sein Name: Alexander Mead. Nein, nimm diesen Namen weg, schrie Peter Bugg (inzwischen laut), denn plötzlich hatte er schreckliche Angst. Sein Herz begann zu rasen. Schweiß und Tränen schossen aus seiner Haut. Nimm diesen Namen weg, schrie er. Leg ihn zurück, zurück, zurück in die Abgründe meines Gehirns. Laß ihn in der Dunkelheit. Aber der Junge, dadurch ermutigt, daß man sich an seinen Namen erinnert, kommt zum Spielen heraus. Ein blonder Junge: ordentlich, genau, ein außergewöhnlich intelligenter Schüler ohne Freunde. Geh weg, Junge, schrie der pensionierte Schulmeister des Jungen laut. Geh und mach deine Hausaufgaben. Aber der Junge sagt, er sei fertig mit den Hausaufgaben, Sir. Peter Bugg öffnete das Fenster seines Wohnzimmers, aber der Junge wollte nicht hinaus mit der drückenden, nach hundert verschiedenen Gerüchen riechenden Luft. Statt dessen setzte er sich auf Peter Buggs Kopf und rutschte von

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