Das verlorene Observatorium
einen Container brauchen. Claire Higg würde mit einem einzigen Container auskommen. Miss Tap brauchte nicht mehr als einen Viertelcontainer. Der Pförtner mit seiner Kiste, in der er sein Hab und Gut aufbewahrte und die noch nie jemand gesehen hatte und seinen Uniformen würde ein Achtel eines Containers benötigen. Und Zwanzig ohne ihr Hundehalsband würde überhaupt keinen Container benötigen. Für sie würde ein einziger Müllbeutel genügen. Wieviel häuft der Durchschnittsmensch in seinem Leben an?
Wir waren wieder sieben, genauso viele wie vor dem Einzug der neuen Bewohnerin.
Der Weggang von Zwanzig
Zwanzig rief die Polizeibeamten in ihrem Land an und nach einer Woche Funkstille fand man ihre Akten. Man sagte ihr, daß ihr Name nicht Zwanzig war, auch nicht Hundedame, sondern Anca lautete, dass sie mit Stefan verheiratet war und das Stefan und Anca keine Kinder hatten. Sie war sechsundzwanzig, als sie verschwand, neununddreißig, als sie wieder auftauchte. Aber zu dem Zeitpunkt, als man sie gefunden hatte, als sie sich selbst gefunden hatte, hatten alle längst aufgehört, noch nach ihr zu suchen. Wahrend ihrer Abwesenheit waren ihre Eltern gestorben, die Mutter an Altersschwäche, der Vater hatte sich umgebracht. Dies erfuhr sie von ihrer Schwester. Sie hatte sich nicht daran erinnert, eine Schwester zu haben. Sie fragte ihre Schwester, ob sie sich gut verstanden hätten. Die Schwester antwortete, nein, das hätten sie nicht, sie hätten sich gehaßt; sie hatten sich in denselben Mann verliebt, und dieser Mann hatte Anca geheiratet, nicht ihre Schwester.
Wo ist er jetzt?
Weißt du das nicht?
Nein, Anca wusste es nicht, aber sie erinnerte sich an seinen Schnurrbart, sie erinnerte sich, wie er vor der Tür von Wohnung 20 stand (der anderen). Er aber, so erfuhr sie von ihrer Schwester, hatte sie vergessen.
Er hat wieder geheiratet, Anca. Dich?
Nein, er war nie an mir interessiert.
Hat er nicht auf mich gewartet, hätte er nicht warten können? Anca, es war keine glückliche Ehe.
Oh, das wußte ich nicht.
Er hat dich geschlagen.
Das wußte ich nicht.
Du hast dir einen Hund gekauft, um dich zu schützen, den größten Hund, den du finden konntest. Max hast du ihn genannt. Ich nehme nicht an, daß du dich an Max erinnerst, dieses harmlose Viech. So ein riesiger Hund in so einer winzigen Wohnung. Er hat dir nicht geholfen. Nach allem, was deine Nachbarn sagten, bist du nach einem Streit plötzlich spurlos verschwunden. Du und der Hund. Man verdächtigte deinen Mann des Mordes. Stellte ihn vor Gericht. Aber es gab nicht genug Beweise, um ihn länger als zehn Jahre hinter Gitter zu bringen.
Zehn Jahre!
Davon hat er aber nur sechs abgesessen, dann kam er wieder raus und heiratete eine andere. Ich an deiner Stelle würde mich bedeckt halten, denn ich kann mir kaum vorstellen, daß Stefan gern erfahren würde, daß er sechs Jahre für nichts und wieder nichts in der Hölle geschmort hat. Jeder glaubte, daß er dich ermordet hat. Ich auch. Am Ende hat er es wahrscheinlich sogar selbst geglaubt, er konnte sich nur nicht mehr erinnern, wie er es gemacht hat.
Ich habe mir den Kopf gestoßen, und dann bin ich gelaufen und gelaufen.
Jeder hat dich gesucht.
Können wir beide Freunde sein?
Ich weiß nicht, wir haben uns früher sehr gehaßt.
Du bist meine Schwester. Ich habe sonst niemanden. Können wir es versuchen?
Wenn du willst.
Danke, vielen Dank.
Ich habe Platz in meiner Wohnung. Du kannst bei mir bleiben, allerdings nicht für immer, sondern nur so lange, bis du eine Arbeit findest.
Anca erzählte Anna Tap ihre Geschichte sehr langsam, Wort für Wort, blätterte dabei in dem Wörterbuch, das Peter Bugg ihr geschenkt hatte.
Also verließ uns Anca, Zwanzig, die Hundedame, ebenfalls. Der Pförtner, Anna Tap und ich begleiteten sie zum Bus. Sie lachte, als sie in den Bus stieg, sie lachte, als sie uns durch das Busfenster zuwinkte. Sie lachte, als der Bus losfuhr, aber da hatte sie auch Tränen in den Augen. Jetzt waren wir sechs. Monate später erhielten wir, oder besser Anna Tap, eine Postkarte von Anca, geschrieben in unserer Sprache und voller Fehler. Anca schrieb, daß sie sich in dem Augenblick, als sie ihre Schwester sah, daran erinnerte, wie sehr sie sie gehaßt hatte. Beide fanden es unmöglich zusammenzuleben. Sie fand Arbeit in einer Fabrik, die Hundefutterkonserven herstellte. Wohnte jetzt mit ihren alten Sachen in ihrer eigenen Wohnung. Sie hatte sich eine Hauskatze angeschafft, schrieb
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