Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
um.
Andrew hielt eine kleine Metallflasche in der Hand und reichte sie ihm.
»Bojar Iwor?«
»Njet. Für Kal«, antwortete Andrew; lächelnd.
Fröhlich akzeptierte der Bauer die Flasche und steckte sie, begleitet von einem Blinzeln, unter sein Hemd. Mit weitläufiger Geste verbeugte er sich, sodass seine rechte Hand den Boden berührte. Dann richtete er sich wieder auf, rutschte den Damm hinunter und machte sich auf den Weg zurück ins suzdalische Lager.
Ein einziges Mal blickte er zu dem einarmigen Bojaren im blauen Rock zurück. Er konnte nicht umhin, diesen Mann zu mögen.
»Vater, die Wachen melden, dass Kalencka gerade durchs Südtor gekommen ist. Mikhail ist auch dabei.«
Iwor stand auf, warf einen halb verspeisten Fasan weg und wischte sich die fettigen Hände am Hemd ab.
»Wird aber auch Zeit, dass sich der Idiot wieder blicken lässt«, fand er und gab seinem Sohn einen Klaps auf die Schulter.
»Andrej, dieser Bauer sollte lieber ihre Geheimnisse aufgedeckt und eine Art Übereinkunft getroffen haben!«, knurrte er.
»Vielleicht sind sie uns letztlich doch nützlich«, wagte Andrej vorzubringen.
»Falls es uns gelingt, ihre Magie in unseren Besitz zu bringen, wozu brauchen wir sie dann noch?«
Mehr wollte Iwor derzeit lieber nicht sagen, nicht mal zu seinem Sohn. Die Drohung der Kirche war nur allzu real. Angeblich war die Kirche neutral im ewigen Gezänk der ein Dutzend Rus-Königreiche. Iwor bedauerte inzwischen allmählich sogar seine Konfrontation neulich nachts. Falls er den Patriarchen Rasnar zu weit trieb, könnte sich die Kirche seinen Rivalen zuneigen und ihn zum Ketzer erklären. Wahrscheinlich würden sich einige Bojaren nicht gegen ihn stellen, nur weil es die Kirche verlangte, aber trotzdem würden viele seiner Grundbesitzer nervös werden. Rasnar hatte sich seit seiner Rückkehr seltsam ruhig verhalten, und das war schon genug Grund zur Sorge.
Iwor ging hinüber zum schmalen Fenster des Festsaals und blickte hinaus über den großen Platz auf den Dom des Gesegneten Lichts von Perm. Höchstwahrscheinlich, so dachte er düster, blickte der Mistkerl Rasnar gerade dort herüber zu ihm und sann über dieselben Fragen nach.
Dieses Problem mit den Blauröcken musste gelöst werden. Er ahnte bereits, dass es fast unmöglich war, sie zu vernichten, und das war einer der Gründe, warum Rasnar ihm so zusetzte, es zu probieren. Viele seiner Krieger, Ritter und mobilisierten Bauern würden bei dem Versuch fallen und ihn geschwächt zurücklassen. Als bislang mächtigster der Bojaren würde er zu leiden haben und durch die anderen verwundbar sein, ohne dass er andererseits eine Garantie darauf hatte, die Geheimnisse der Blauröcke in Erfahrung zu bringen.
Das andere Problem stellte sich auch weiterhin. Tausende Bauern und viele Angehörige seines Adels lagen nach wie vor dort draußen im Feld und behielten das Lager der Blauröcke im Auge, während die Grenzmarken zu Nowrod geschwächt waren. Und schließlich war noch die simple Frage des Prestiges zu bedenken. Falls er nicht als erkennbarer Sieger aus dieser Sache hervorging, würde sich mehr als nur ein Adliger zum Bündnis mit Rasnar bereitfinden, um an Macht zu gewinnen.
Er nahm einen halb vollen Krug zur Hand, trank ihn aus, lehnte sich dann zurück und gab einen langen klangvollen Rülpser von sich.
»Ah, das ist besser, verdammt! Hören wir uns doch jetzt mal an, was dieser Bauer zu berichten hat. Bringt ihn zu mir!«
Kalencka wurde in den Raum geführt, begleitet von Mikhail.
»Oh mächtiger Iwor, ich kehre mit wichtigen Nachrichten zurück!«, sagte Kalencka und verbeugte sich tief.
»Dann hast du ihre Zauber erkundet?«, wollte Iwor wissen.
»Das habe ich getan, Höchstedler«, antwortete Kalencka.
»Und?«
»Es ist eine Magie, die nur sie selbst anzuwenden vermögen«, sagte der Bauer und wahrte dazu eine grimmige Miene. »Sie besitzen ein geheimes Pulver, das nur sie benutzen können. Falls irgendjemand sonst wagen sollte, es anzufassen, ohne dass sie es ihm erlaubt haben, so verbrennt er.«
Iwor zupfte an seinem Bart.
»Aber sie betrachten auch Eure Macht mit Ehrfurcht, mein Fürst Iwor«, fuhr Kalencka fort und blickte seinem Fürsten in die Augen, ohne zu blinzeln. »Sie streben nach einem Bündnis unter Eurer Führung, möchten Euch dienen und als Bojaren anerkennen, um im Gegenzug hier leben zu dürfen.«
Kal hielt nach wie vor Iwors Blick fest.
»Vielleicht könnten wir sie einlullen und dann überraschend
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