Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Wie ein Mann erhob sich die ganze Kompanie. »Auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, zu seinem sechsundfünfzigsten Geburtstag. Mögen ihm Gesundheit, ein langes Leben und vier weitere Jahre mit einer befriedeten Nation vergönnt sein.«
»Auf Abraham Lincoln!« Und man trank die Gläser aus, während ein einzelner Pfeifer Hail to the Chief spielte.
Lächelnd gab Andrew mit einem Nicken zu verstehen, dass die Gläser neu gefüllt werden sollten. Bei dem Getränk handelte es sich nicht mehr um den traditionellen Brandy, dessen geringe Restbestände von Emil zurückgehalten wurden. Kal hatte jedoch ein kleines Fass Wodka der stärksten Form für diesen Anlass auftreiben können.
»Meine Damen und Herren, auf die Union! Wo immer sie liegt, möge sie ewig Bestand haben!«
Einen Augenblick lang blieb es still, denn ein solcher Trinkspruch konnte nur schmerzliche Erinnerungen an Zuhause wachrufen.
»Auf die Union.« Und leise trank man aus.
Die Anwesenden setzten sich wieder auf die grob gezimmerten Stühle.
»Gentlemen, ich bedaure das vielleicht noch«, sagte O’Donald gelassen, griff in seinen Ranzen, holte einen kleinen Kasten hervor und klappte ihn auf.
Rings um den Tisch wurde entzückt nach Luft geschnappt.
»Havanna-Zigarren, die besten, und vielleicht die letzten für unsere werte Gemeinschaft. Reichen Sie sie herum und genießen Sie sie, solange es geht. Ich bin Republikaner, seit ich ’56 vom Schiff gestiegen bin, und Lincoln ist mein Mann. Gott segne ihn!«
Beifälliges Gebrüll begrüßte O’Donalds Opfer. Tabak war so selten, dass Männer bis zu zehn Dollar in Gold für eine einzelne Tafel boten. Mitten im Krieg hatte es zu Hause einen Handel über die Postenlinien hinweg gegeben, während Tabak hier unbekannt schien. Die Entzugssymptome machten praktisch allen Regimentsangehörigen zu schaffen.
Andrew lehnte sich zurück und zückte ein Streichholz. Er wusste, dass es eine Verschwendung von gutem Zündholz war, aber er scherte sich nicht darum, ratschte das Holz am Stuhl entlang und hatte die Zigarrenspitze bald kirschrot entflammt.
Fröhlich betrachtete er aus dem Augenwinkel Kal mit Frau und Tochter. Der Suzdalier hatte die Männer schon zuvor rauchen gesehen und auch Streichhölzer in Aktion erblickt, aber Frau und Tochter erlebten es erkennbar zum ersten Mal.
»Probieren Sie mal, Kal«, forderte ihn Andrew auf und reichte seinem Dolmetscher den Kasten.
»Danke, Colonel.« Bemüht, seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren, holte der Bauer eine Zigarre aus dem Kasten und ahmte die übrigen Männer nach, indem er zuerst daran schnupperte, womit er der Versammlung ein Schmunzeln entlockte. Er biss ein Ende ab, steckte sich die Zigarre in den Mund, beugte sich über eine Kerze und erweckte die Zigarre paffend zum Leben. Im Zimmer war es still.
Lächelnd saugte er glücklich und atmete ein. Die Hustenexplosion, die dem folgte, erzeugte eine Lachsalve, die Kal gutmütig hinnahm, während ihn seine Frau mit großen Augen anblickte, als wäre ihr Mann verrückt geworden.
Mit tränenden Augen kippte Kal ein Glas Wodka hinunter, und wiewohl er die Zigarre mutig am Leben erhielt, geschah es mit wenig Begeisterung.
»Wie könnt ihr Yankees nur daran Gefallen finden?«, fragte er schließlich, immer noch schnaufend und leicht grün im Gesicht.
»Das frage ich mich zuzeiten selbst«, antwortete Emil. »Von jeher hege ich den Verdacht, dass diese üble Angewohnheit einen umbringen kann.«
»Ihr seid ein solches Rätsel«, fand Kal, nahm die Zigarre aus dem Mund und betrachtete sie nachdenklich, wobei er Andrews Gebaren nachahmte, wenn dieser seine Pfeife rauchte.
»Inwiefern?«, gab ihm Andrew das Stichwort.
»Einmal diese Sache, die ihr die Union nennt. Das macht mich neugierig. Ihr Private Hawthorne hat mir von dem Bojaren Lincoln erzählt. Allerdings hörte sich das gar nicht nach einem Bojaren an. Ein Bojar, der Sklaven befreit, und ein Land, in dem freie Männer um die Befreiung derer kämpfen, die an die Scholle gekettet sind?«
»Die Union, für die wir gekämpft haben, ist unser Land«, antwortete Andrew und betrachtete seine um den Tisch versammelten Leute. »Jeder Mann und jede Frau hier hat sich freiwillig gemeldet, um für den Erhalt dieses Landes zu kämpfen. Wir glauben, dass alle Menschen von Geburt gleich sind.«
Leicht ungläubig musterte Kal den Colonel, steckte die Zigarre in den Mund zurück und saugte nachdenklich daran.
»Je mehr ich von Ihrer
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