Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
haben – Ihre Übersetzungen waren sehr hilfreich –, aber ich habe ständig das Gefühl, dass Sie Iwor nicht alles übermitteln, was gesagt wird.«
Kal zeigte das unschuldigste Lächeln, das man sich vorstellen konnte.
»Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?«, wollte Andrew wissen und lächelte dabei immer noch.
»Wie, auf der Seite des Volkes natürlich«, antwortete Kal gelassen, und die Versammlung lachte gut gelaunt.
»Sie werden noch ein Politiker!«, schrie O’Donald.
»Ist das was Gutes, so ein Politiker?«, wollte Kal wissen.
»Kommt drauf an, wen man fragt«, sagte Emil gelassen und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
Andrew sah sich Kal genau an, und die Versuchung von eben, die Frage zu stellen, meldete sich zurück. Er spürte, dass sich Kal inzwischen entspannt hatte.
»Sagen Sie mal, Kal«, wagte sich Andrew in lässigem Stil vor. »Diese Statuen, die wir gesehen haben, und die Malereien an der Kirchenmauer. Was für Kreaturen sind das überhaupt?«
Eine Sekunde lang erstarrten Kals Züge, und er drehte sich zu Andrew um.
»Welche Statuen?«, fragte er leise.
»Die entlang der Straße. Diese grauenhaft aussehenden Dinger, die fast doppelt so groß wie Menschen sind. Hat den Anschein, als wären sie alle ganz behaart, und was für Zähne die haben!«
»Nur alte Götter«, antwortete Kal rasch. »Höllenkreaturen, die von Perm und Kesus vernichtet wurden.«
»Seltsam, dass man sie überall sieht«, fuhr Andrew fort. »Ich habe gestern gehört, wie eine Mutter etwas zu einem Kind sagte. Ich denke, sie nannte diese Kreaturen Tugaren.«
Es war der Ausdruck in den Augen der Mutter gewesen, was ihn aus der Fassung gebracht hatte. Das Kind hatte den Finger ausgestreckt und offensichtlich eine Frage gestellt, und sie sagte nur »Tugare« und drehte, erkennbar von Angst gepackt, das Kind um.
Aber es war nicht Kal, der jetzt reagierte. Als Andrew das Wort »Tugaren« sprach, sahen ihn Tanja und Ludmilla beide erschrocken an.
Der erkennbar nervös gewordene Kal suchte nach einer Antwort.
»Sie haben keine Bedeutung«, erklärte er flugs. »Ich denke, es wird Zeit, dass ich gehe.«
Er stand auf, wandte sich Andrew zu und zeigte ihm die traditionelle Verbeugung, die rechte Hand ausgestreckt, sodass die Fingerspitzen über den Boden strichen. Ludmilla und Tanja folgten diesem Beispiel.
Auch Andrew erhob sich von der Tafel und folgte ihnen zur Tür.
Dort legte er Kal den Arm um die Schultern und begleitete ihn hinaus in die sternenhelle Nacht.
»Habe ich Sie mit der Frage nach den Tugaren nervös gemacht?«, fragte Andrew.
Erschrocken blickte Kal zum Colonel hinauf.
»Sprechen Sie dieses Wort vor niemandem aus, besonders nicht vor Iwor oder Rasnar. Es ist gefährlich!«
»Aber wenn es nur verbannte alte Götter sind, wie unser Teufel zu Hause, warum haben Sie dann Angst?«
»Das ist etwas anderes«, erklärte Kal. »Es ginge nicht gut aus, wenn sie erführen, dass Sie über solche Dinge informiert sind.«
Andrew sah die Angst im Blick dieses Mannes, und er nickte ihm beruhigend zu und tätschelte ihm die Schulten »Dann nehmen wir Iwor morgen zu einer Fahrt auf dem Schiff mit?«
Kal nickte nur, fasste Tochter und Frau an den Händen und machte sich auf den Weg über die Dorfwiese zu der Hütte, die Andrew ihnen zur Verfügung gestellt hatte.
Andrew kehrte in die Offiziersmesse zurück und sah dort, dass die Versammlung auf ihn wartete.
»Also, was zum Teufel hat diese Tugarengeschichte zu bedeuten?«, knurrte ihn Tobias vom anderen Ende der Tafel an.
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß«, sagte Andrew und setzte sich wieder auf seinen Platz.
»Jedenfalls hat sich unser Kal richtig in die Hosen gemacht«, stellte O’Donald fest und zog an seiner Zigarre.
»Und das Mädchen auch«, warf Kathleen ein.
»Nun, ich finde, wir sollten diesen Iwor fragen und es herausfinden«, verkündete Tobias.
»Nein!«
Erschrocken wurde die Versammlung still. Etwas in Andrews früheren Überlegungen ging mit Kals Reaktion fast eine Verbindung ein, formte Ansätze eines neuen Gedankens. Welcher genau, das wusste Andrew nicht recht. Ihm war jedoch klar, dass es gefährlich sein würde, jetzt irgendwelche Fragen zu stellen.
»Ich befehle Ihnen allen, dieses Gespräch zu vergessen. Falls ich Sie oder sonst jemanden im Lager das Wort Tugare äußern höre, bringe ich ihn vors Militärgericht! Es wäre gefährlich, danach zu fragen. Kal hat mir das erklärt, und ich glaube ihm.«
»Der
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