Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Aberglaube eines Bauern«, knurrte Tobias. »Und außerdem, welche Scheißanklagen würden Sie vorbringen, Colonel, Sir? Ich habe das Recht auf freie Meinungsäußerung.«
»Sie können sagen, was Sie möchten, Captain, solange es nicht gegen meine Befehle verstößt«, sagte Andrew bedächtig. »Ich bin Befehlshaber dieser Einheit und bleibe es bis zum Zeitpunkt einer möglichen Heimkehr.
Und ich befehle jedem hier, niemals diese Tugarenkreaturen zu erwähnen.«
Mit angewidertem Schnauben lehnte sich Tobias zurück. Andrew wartete auf eine Entgegnung, aber der Captain schwieg und sah ihn nur verächtlich an.
»Wir müssen uns noch um andere Fragen kümmern. Das Lager ist im Wesentlichen fertig gestellt, und das Schiff wurde flottgemacht. Deshalb gewähre ich ab Morgen Urlaub, jeweils einen Tag für eine Kompanie, sodass die Männer in die Stadt gehen können.«
»Halten Sie das für klug, Andrew?«, fragte Emil.
»Warum?«
»Die Stadt ist eine Seuche, die nur auf ihren Ausbruch wartet. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass die Männer sie aufsuchen. Würde mich gar nicht überraschen, wenn dort die Pest oder so was nur darauf lauert, sich ausbreiten zu können.«
Andrew hatte Verständnis für diesen Einwand. Er hatte selbst damit gerungen. Er wünschte sich, er könnte die Männer innerhalb der Palisade festhalten und jeden Kontakt bis zu einem Zeitpunkt hinauszögern, an dem sie sich endlich orientiert hatten und weiterziehen konnten. Aber es waren nun mal Menschen. Die Moral erlitt böse Einbrüche. In den ersten Wochen hatten die Aufgaben des Überlebens und die Errichtung des Lagers alle beschäftigt, aber Hans führte Buch, und die Moral kippte ernstlich.
Die meisten waren noch immer sehr über das ganze Ereignis erschrocken. Fast ein Viertel des Regiments setzte sich aus verheirateten Männern zusammen, und aus ihren Reihen waren die lautesten Rufe nach einer Rückkehr zu vernehmen. Andrew musste ihnen einfach Ausgang gewähren, damit sie sich diese neue Welt ansahen, Freundschaft mit den Menschen schlossen und schlicht etwas Dampf abließen. Er konnte nur hoffen, dass Emil die Lage unter Kontrolle hielt, falls tatsächlich etwas ausbrach.
»Tut mir Leid, Emil, ich habe über das Risiko nachgedacht, und wir werden es eingehen müssen. Die Jungs sind zäh. Erinnern Sie sie noch mal streng an die Gefahren des Wassers und der Krankheiten. Niemand darf sich den hiesigen Kirchen nähern, und bei Gott, sollte sich jemand betrinken, den lasse ich auf dem Dorfanger knebeln und züchtigen!«
»Wer bekommt als Erster Urlaub, mein lieber Colonel?«, fragte O’Donald gespannt.
»Nehmen Sie Ihre halbe Batterie«, sagte Andrew. »Eine Kanone auf dem Schiff wird Salut feuern, wenn wir Iwor morgen zurück in die Stadt bringen. Dann haben sie für den Tag frei. Kompanie A darf ebenfalls gehen. Captain …« Und er wandte sich Tobias zu. »halten Sie es mit Ihren Männern, wie Sie es für richtig halten.«
Tobias nickte nur.
»Und die Damen?«
Andrew drehte sich zu Kathleen um.
»Nun, ah, sehen Sie …«
»Colonel Keane«, unterbrach ihn Kathleen ruhig. »Ich kann auf mich selbst aufpassen, vielen Dank auch, und ich habe nicht vor, in diesem Lager festzusitzen.«
»Meuterei«, murmelte Emil, und ein Lächeln hellte seine Miene auf.
Irritiert suchte Andrew nach einer Antwort. stellte aber schließlich fest, dass der Hauch eines nachdenklichen Lächelns um Kathleens Lippen spielte, während sie den sonst so selbstsicheren und jetzt konsternierten Offizier vor sich betrachtete.
»Falls Sie mir gestatten, Sie morgen zu begleiten, wäre ich geehrt«, sagte Andrew ruhig.
»Ich denke darüber nach«, sagte Kathleen.
»Naja.« Andrew räusperte sich nervös und wurde still, eine Gewohnheit, die alle seine Freunde von ihm kannten, wenn er sich in Gesellschaft einer Frau befand, und heimlich lächelten sie einander an.
Andrew blickte zu Emil hinüber, der neben Kathleen saß. Der Doktor ließ ihn mehrere lange Sekunden zappeln. Endlich erbarmte sich Hans seiner, räusperte sich und beugte sich zu ihm herüber.
»Falls ich den Colonel daran erinnern darf«, sagte er ruhig. »Da sind noch Dinge zu erledigen.«
»Ja, natürlich, Sergeant«, sagte Andrew erleichtert und wandte sich von Kathleens durchdringendem Blick ab. »Danke, dass Sie mich daran erinnern.«
Er fasste sich wieder und betrachtete am Tisch entlang seine Kompanie- und Stabsoffiziere, die sich den Wortwechsel lächelnd und geduldig angehört
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