Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
zur Tür zu gehen.
»Welche Verschwendung! Es war ein wundervoller Trank«, sagte Rasnar ruhig. »Ich weiß, dass Ihr letztlich eine Vereinbarung mit mir treffen werdet, denn sie ist der einzige Weg, der Euch aus der Klemme führt. Die Yankees sind ein zweischneidiges Schwert, Iwor, und Ihr balanciert auf seiner Schneide.«
Als die Tür zuknallte, konnte Rasnar nicht umhin zu lachen, zum ersten Mal seit Ankunft der Yankees. Er kannte Iwor nur zu gut. Als Bojar war er besser als die meisten. Aber er dachte zu viel an die eigene Eitelkeit, hing zu sehr an seinem Traum von der Macht und war auf dieser Grundlage so leicht zu manipulieren.
Letztlich würde er sich einverstanden erklären. Falls die Rus den nächsten Besuch der Horde überleben wollten, musste Iwor einwilligen, und dabei würde die Kirche ihre Macht zurückgewinnen, denn Iwor war Rasnar zwangsläufig verpflichtet, wenn alles vorüber war. Und außerdem eröffneten mehrere Hundert Yankee-Waffen die Möglichkeit, die Autorität der Kirche über alle Bojaren des Reiches auszuweiten, sobald Iwor erst mal beseitigt war.
Heute Morgen hatte Rasnar gerade erst der Bericht erreicht, dass man zwei Gefangene gemacht hatte und dass sie mit der richtigen Überredungskunst verraten konnten, wie das magische Pulver herzustellen war.
Leise lachend stand Rasnar auf, schüttete den Inhalt seiner unbenutzten Teetasse ins Feuer und schritt aus dem Zimmer.
Der Festschmaus war gut gewesen. Muzta Qarth ritt langsam an den Schlachtgruben vorbei, wo die Gebeine der Menschen dem Ritual entsprechend aufgehäuft waren -Schädel auf einem Haufen, Rippen auf einem zweiten, Arm- und Beinknochen auf dem dritten.
Wieder mal jedoch war ihnen die Seuche zuvorgekommen und hatte die halbe Dorfbevölkerung dahingerafft, ehe die ersten Späher und Fleischbegutachter eintrafen. Ein weiteres Viertel des Viehs war immer noch schwach und entstellt und somit nicht zum Verzehr geeignet.
Die Horde brauchte, um sich ausreichend zu ernähren, neben anderen Lebensmitteln mehr als tausendfünfhundert Stück Vieh am Tag. Sobald zwei von zehn aus einer Bevölkerung verzehrt waren, zog sie weiter. Die einzige Möglichkeit, jetzt noch die Ernährung sicherzustellen, bestand darin, jeden gesunden Menschen zu nehmen, ob gutes Zuchtmaterial oder nicht jung und alt, und ihm das symbolische Halfter um den Hals zu legen.
Muzta unterbrach seine Gedanken und blickte den Hang zum Dorf der Menschen hinab, aus dem die Klagerufe der wenigen Überlebenden aufstiegen.
Ihr Schmerz rührte ihn nicht, wie die Schreie aller Tiere im Angesicht des Messers den nicht rührten, der essen musste. Aber er wusste, was die Horde zurückließ, sobald die Jurten am nächsten Morgen abgebaut wurden.
Die wenigen geschwächten Überlebenden gingen wahrscheinlich in den Winterstürmen zugrunde, denn sie hatten nicht mal mehr die Kraft, die Ernte einzuholen. Sobald er nach der nächsten Umkreisung wieder hier eintraf, bestand das Dorf nur noch aus zugewachsenen Ruinen. Was hundert Generationen lang ein Haltepunkt für die Tugaren gewesen war, war für immer dahin. Er hatte gehofft, hier überhaupt nicht essen zu müssen und das Dorf zu verschonen, aber Tula und die anderen Häuptlinge bestanden nach einer Woche ohne anständiges Mahl auf frischem Fleisch. Sogar Muzta musste einräumen, dass ihm das Wasser im Munde zusammenlief beim Duft des Fleisches, das über den Feuergruben brutzelte, der Kessel mit Blutsuppe, der großen Nierenpasteten und frisch gebratener Leber.
Auf den letzten Gang des Abends, der im Gedächtnis an das Mondfestmahl stattfand, hatte er sich besonders gefreut. Ein gesundes Stück weibliches Vieh von Zuchtqualität war in die Jurte geführt worden. Das Mondfest war gewöhnlich der einzige Anlass, zu dem Zuchtvieh verspeist wurde, und somit empfand er kein Bedauern. Man zerrte die Frau unter die spezielle Tafel des Mondes und zurrte dort den Kopf in aufrechter Haltung fest. Alem selbst erwies dem Anlass die Ehre und sägte ihr mit flinken Bewegungen rasch die Schädeldecke ab.
Die Schreie des Opfers waren Bestandteil der Zeremonie, und die Schamanen suchten darin nach Vorzeichen für den nächsten Monat. Als die Schädeldecke abgesägt war, war das Opfer immer noch bei Bewusstsein, ein weiteres gutes Omen. Mit hörbarem Knacken wurde die Schädeldecke heruntergerissen und das Hirn des Opfers freigelegt, und die am Tisch Versammelten langten mit ihren goldenen Löffeln zu, um es zu verspeisen, während das
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