Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
nicht, dass irgendwas davon ruchbar wird, ehe sich das Regiment formiert hat. Verladen Sie die Verwundeten heute Abend auf die Ogunquit. Bei Anbruch des Morgens fahren wir nach Fort Lincoln zurück und formieren uns.«
Hans stand auf und schlug sich lächelnd auf den Schenkel.
»Es wird ein verdammt guter Kampf«, fand der alte Sergeant und betrachtete Andrew stolz. Er leerte sein Glas und verließ das Zimmer.
Andrew wandte sich ab. Im Herzen wusste er, dass es der falsche Schritt war; er würde noch viel mehr Männer verlieren, bis alles vorbei war. Die Stärke des Regiments beruhte jedoch auf dem Wissen, dass jeder Mann notfalls dafür kämpfen würde, einen einzelnen Kameraden in Not zu retten. Keiner von ihnen konnte tatenlos herumsitzen, während er wusste, dass Sadler und besonders Hawthorne mit seinen strahlenden Augen von Folter bedroht waren.
Die Welt drehte sich, und seine Lungen drohten zu platzen. Das musste ein Vorgeschmack auf die Hölle sein, und beim Entsetzen darüber hätte er am liebsten geschrien, aber dieser Luxus war einem Hängenden verwehrt.
Unwillkürlich zuckte und wand er sich am Strick und kämpfte gegen das panische Bedürfnis an, das Seil zu packen und sich hochzuziehen.
Plötzlich ertönte ein Knirschen, und der Strick ruckte mehrere Zentimeter tiefer, wodurch sich die Schlinge noch fester zuzog. Putz rieselte ringsherum.
Die Eisenstange musste nachgegeben haben! Verzweifelt packte Vincent nach dem Strick. Die Lungen mussten jeden Augenblick explodieren. Helle Sterne leuchteten vor den Augen auf; heiße Ströme von Qual spülten durchs Gehirn, als jeder Nerv nach Luft zu schreien schien.
Er versuchte sich hochzuziehen, war aber zu schwach dazu.
Erneut knirschte etwas, und das Seil ruckte ein paar Zentimeter weiter. Mit letztem Aufbäumen der Verzweiflung zog er sich am Strick hoch, und die rechte Hand zuckte vor und packte eine Stange.
Die Welt versank vor ihm, als blickte er durch einen langen dunklen Tunnel. Er hielt sich mit einer Hand fest und zerrte mit der anderen panisch am Seil, das seinen Hals umschlang. Einen entsetzlichen Augenblick lang wollte es nicht nachgeben.
Auf einmal lockerte sich der Knoten. Mit schrillem Schrei holte Vincent eine Lunge voll Luft, und dann noch eine und eine dritte.
Keuchend fummelte er matt an der Schlinge herum und konnte den Knoten öffnen. Nachdem er sie sich über den Kopf gezogen hatte, ließ er mit der rechten Hand los und brach zusammen.
Er wusste nicht, ob eine Minute oder eine Stunde verstrichen war, als er wieder zu Bewusstsein kam. Der Hals fühlte sich an, als wäre er mit feurigem Metall umwickelt.
Mit zitternden Händen löste Vincent die Fesseln um die Beine und rappelte sich mit weichen Knien auf. Die Schlinge baumelte immer noch am Gitter. Er packte das Hindernis und zerrte daran.
Die Stange rührte sich nicht. Schluchzend rüttelte er aufs Neue an ihr, und sie wollte keinen Mucks machen. Hatte er das alles im letzten Augenblick nur geträumt und sich dadurch gerettet? Musste er sich dem ganzen Grauen noch einmal stellen?
Er verfluchte sein Schicksal wild und schlug mit der Faust auf die Stange ein, und sie gab mit scharfem Knirschen mühelos nach.
Also hatte sie sich bewegt! Eifrig rüttelte der junge Soldat mehrmals daran. Das Ding hatte etliche Zentimeter Spiel, aber ein schwerer Sturzstein verhinderte, dass es sich ganz löste.
Es musste eine Möglichkeit geben! Er hatte schon zu leichtfertig aufgegeben gehabt. Hatte Gott ihm letztlich dieses Zeichen gesandt, damit er die Gabe seines Verstandes einsetzte, um einen Ausweg zu finden?
Er setzte sich wieder hin und blickte sich aufs Neue in der Zelle um, denn er dachte jetzt, dass sein Tod nicht verhindert worden wäre, hätte Gott nicht den Wunsch, dass er irgendwie entkam.
Eine Stunde später war er bereit. Er hatte fast die ganze Zeit gebraucht, um leise ein Bein von dem Stuhl abzubrechen, auf den Sadler gefesselt worden war. Dann band er einen Seilabschnitt um diesen losen Balken und webte das Seil anschließend mehrfach um einen stationären Balken und das lose Stuhlbein.
Während er ein lautloses Gebet wisperte, drehte er das Stuhlbein wie eine Winde zwischen den Seilen. Sie spannten sich allmählich. Nach einem Dutzend Umdrehungen des Stuhlbeins waren sie so straff, dass das Drehen schwerer fiel. Hawthorne zog die Beine an und setzte beide Hände ein, und nach einer weiteren Umdrehung stemmte er die Füße an die Wand, und die Armmuskeln wölbten
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