Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
gehörten sie zum Volk der Rösser, den ewig um die Welt wandernden Reitern Waldennias, und schlussendlich würden sie wenigstens als Diener der Merki zum immerwährenden Himmel aufsteigen. Vieh kehrte in den Staub zurück, dem es entstammte, oder erreichte die Nachwelt als Futter für die Festtafeln. Es war nicht richtig, aus ihnen Kreaturen zu machen, die sogar Krieger der Vushka Hush zu töten vermochten.
Tamuka zog seinen Bogen, legten einen Pfeil an und verschob den Köcher von der Reitposition auf dem Rücken seitlich an die Hüfte. Die Eskorte folgte seinem Beispiel, als sie sah, was er tat.
»Wir haben den strikten Befehl, uns dem Vieh von Roum nicht zu zeigen. Du bist hier, um dir anzusehen, wie die Kampfesweise mit Viehwaffen funktioniert, und nicht dazu, selbst mitzumachen.«
»Ich bin es leid, mich vor Ungeziefer zu verstecken!«, bellte Vuka. »Ich bin der Zan, Erbe des Qar Qarth. Hulagar müsste vielmehr auf meine Befehle hören. Er ist nicht mal vom Goldenen Blut. Hier wird Blut vergossen, und ich möchte mein Schwert damit befeuchten!«
Die Krieger der Eskorte lachten über Vukas Worte, und Tamuka wurde wütend. Er verkniff sich einen Fluch, lenkte das Pferd an Vukas linke Seite und hielt scharf Ausschau nach Gefahren, als sie durch die Tore der Stadt ritten.
Ständiger krachender Donner rollte über die Häuser hinweg. Flammenzungen loderten aus dem Stadtzentrum hervor und markierten die Stelle, wo gerade der Palast gestürmt wurde.
»Sollen wir dorthin reiten, meine Freunde?« Vuka deutete zum Stadtzentrum.
Tamuka lenkte das Pferd vor Vuka und wandte sich diesem zu.
»Mein Fürst, das erlaube ich nicht!«
»Aus dem Weg!«, verlangte Vuka mit öliger, dunkler Stimme. »Oder bist du womöglich ein Feigling?«
Gespannte Stille breitete sich aus. Tamuka war beleidigt worden – er hätte das Schwert ziehen dürfen. Alle wussten, dass er Vuka schlagen konnte, und doch wussten alle gleichzeitig, dass er es nicht tun durfte, hatte er doch geschworen, Vuka notfalls durch Einsatz des eigenen Lebens zu schützen.
»Mein Fürst, ich stelle dich vor die Wahl«, sagte Tamuka leise. »Falls du dorthin reitest und die Yankees dich erblicken, muss ich mich Hulagar stellen, dem Schildträger deines Vaters. Er wird sicherlich meinen Kopf nehmen, weil ich es zugelassen habe, und ich werde mich dem beugen. Falls du hineinreiten musst, strecke mich lieber erst nieder.«
Vuka drehte sich zu seinen Gefolgsleuten um, die ihn scharf musterten. Tamuka konnte erkennen, dass es mehr als einem von ihnen gleichgültig war, ob er fiel. Etliche sahen ihn offen an, und in ihren Augen las er Zustimmung, speziell bei Ken, Vukas jüngstem Bruder. Der Zan Qarth sah das ebenfalls und fluchte leise.
»Falls du dir etwas ansehen möchtest«, schlug Tamuka vor, wohl wissend, dass Vuka ihn tatsächlich angreifen würde, falls er keine Konzessionen machte, »dann reite zu den Kals hinunter. Wenigstens wurde dort heftig gekämpft.«
Wortlos nickte Vuka und wendete das Pferd.
»Mein Fürst.«
»Was ist?«
»Meine Ehre erfordert, dass du deine Worte zurücknimmst«, sagte Tamuka und rang sich ein gewinnendes Lächeln ab. »Du warst durstig auf Blut; wenn man die Schlacht wittert, gerät man leicht in Aufregung. Aber ich muss meine Ehre wahren, falls ich an deiner Seite reiten soll.«
»Du hast Ehre«, sagte Vuka ein wenig zu schnell. Die Spannung fiel von der Gruppe ab.
»Ich denke, dieser Weg führt zum Hafen«, verkündete Tamuka und deutete eine Nebenstraße hinab.
Vuka gab seinem Pferd die Sporen.
»Du stellst meine Geduld zuzeiten auf eine harte Probe, mein Schildträger«, bellte er und trieb das Pferd zum Handgalopp.
»Wie es die Pflicht eines Schildträgers ist«, sagte Tamuka leise. Besonders jemandem gegenüber, der so ungestüm ist wie du, dachte er bei sich. Dieser Auftrag wurde in seiner Familie vererbt, deren Mitglieder weniger im Waffenhandwerk ausgebildet wurden als in Weisheit und der Denkweise des Katu, des Wissenspfades. Sie waren es, die an der Seite ihrer Clanhäuptlinge ritten, an der Seite der Urnen-Kommandeure und der Angehörigen des Goldenen Blutes. Oft wanderten sie auf den Pfaden des Nacht-Denkens, verließen den Körper, um Wissen zu erlangen. Manche, nämlich die Meister des alten Ordens, behaupteten gar, sie könnten zuzeiten die geheimnisvollen Schriften der Alten entziffern, der sternenwandelnden Götter, der Väter aller, welche über die endlose Steppe ritten. Das Goldene Blut herrschte
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