Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
zweihundert Wagen, von denen jeder fünfhundert Kilo Wasser befördert, nur um die Männer zu versorgen. Was einen aber schier zum Wahnsinn treiben kann: wir brauchen fünfzig weitere Wasserwagen allein für die Ochsen, die das Wasser über die Strecke von vier Tagesmärschen ziehen. Für die Pferde können wir zusätzliche hundert Wasserwagen veranschlagen. Und am schlimmsten überhaupt ist, dass unsere Nachschublinie, sobald sie das trockene Wegstück erreicht, die Lebensmittelladung pro Wagen drastisch herabsenken muss, da wir eine Vierteltonne Wasser für jeden Ochsen der Essenswagen hinzurechnen müssen. Auf dem Weg hierher sind wir quasi mit leichtem Gepäck gereist und hatten nur die Artilleriepferde dabei. Auf dem Rückweg allerdings müssen wir noch die gesamte Artillerie- und Infanteriemunition befördern, falls wir am Ziel eine Schlacht schlagen möchten. Dafür werden Hunderte zusätzlicher Pferde benötigt, Wagen für die Ausrüstung und Tonnen von Wasser für die Tiere. Da verwandelt sich das Ganze in eine regelrechte geometrische Progression.
Schlussendlich: wo zum Teufel sollen wir all diese Wagen und die Zugtiere nur hernehmen? Außerdem würde es Wochen dauern, sie aus ganz Roum einzusammeln, und die Erntezeit steht verdammt kurz bevor. Die Menschen hier säßen in der Klemme, wenn wir ihnen die Transportmittel wegnähmen. Und selbst wenn wir die Wagen bekämen, haben wir kaum mehr als zweihundert Flachwaggons, um sie bis ans Ende der Bahnstrecke zu bringen. Das würde bedeuten, tagelang zehn Züge pro Tag hin- und herfahren zu lassen, nur um genug Ochsenwagen zu transportieren, die wir für den Marsch brauchten. Und bei allem sind noch nicht die losen Lebensmittel mitgezählt, nicht die Tausende von Wasserfässern, das Holz für die Lokomotiven und die Mobilisierung der Männer.
Mit anderen Worten«, schloss John seine Ausführungen leise, »es ist vollkommen unmöglich.«
»Beim vorigen Mal klang es aus Ihrem Mund fast einfach«, sagte Andrew traurig und schüttelte den Kopf.
»Da hatte ich Pläne für alle Möglichkeiten schon Monate vorher ausgearbeitet«, gab John zu bedenken. »Wir operierten von unserem Hauptstützpunkt aus. Unsere Rationen waren schon vorbereitet, in Kisten verpackt und gelagert, anders als die losen Sachen, die wir diesmal transportieren. Ein Zug pro Tag kann mehr als hundert Wagenladungen befördern und unsere ganze Armee versorgen. Vier Züge, die auf einer gesicherten Strecke fahren, könnten die ganze Armee hier aus einem achthundert Kilometer entfernten Stützpunkt versorgen. Die Eisenbahn hat Nachschub und Beweglichkeit revolutioniert. Unser ganzer Plan beruhte auf einer sicheren Versorgungslinie bis nach Roum.
Cromwell hat dieses Konzept mit womöglich nicht viel mehr als tausend Mann durchkreuzt.«
»Oder Tugaren«, warf Marcus ein und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ich habe mal jemanden sagen hören, Amateurgeneräle würden Taktik studieren, die Profis hingegen Logistik«, sagte Andrew zerknirscht. »Ich war zu sehr mit Kämpfen beschäftigt, um mir jemals über solche Details Gedanken zu machen.«
Andrew musterte Mina mit frischer Anerkennung. Er spürte, dass sie beide sich viel ähnlicher waren, als er ursprünglich geglaubt hatte. Nachts schlief er oft nur schwer ein, während er über alle Eventualitäten nachdachte, mit denen er sich vielleicht eines Tages auf dem Schlachtfeld konfrontiert sah, und darüber, wie er mit ihnen fertig wurde. John ging es höchstwahrscheinlich genauso, während er mit Zahlen jonglierte und sich in einem fort mit dem Gedanken quälte, wie knapp ihre Mittel tatsächlich waren. Wieso zum Teufel habe ich nie darüber nachgedacht?, fragte sich Andrew reuig. Cromwell war die unbekannte Größe in allen Kalkülen gewesen, aber Andrew hatte stets geglaubt, der Mistkerl wäre einfach nach Süden davon gesegelt und verschwunden. In seinen schlimmsten Albträumen hatte er nie damit gerechnet, dass sich Cromwell an die Merki verkaufte, ihre Lakaien bewaffnete und eine Flotte von Panzerschiffen aufbaute, um sie gegen ihn, Andrew, einzusetzen.
»Vor Einführung der Eisenbahn geschah es nur selten, dass eine Armee mehr als achtzig Kilometer von ihrer Nachschubbasis entfernt operierte«, sagte John. »Auf größere Distanz reißt der Nachschub ab. Die einzige Alternative besteht darin, sich alles jeweils vor Ort zu holen, wie es Billie Sherman und Napoleon taten. Wir werden achthundert Kilometer zurücklegen müssen, und auf diese
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