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Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Titel: Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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lächelte über Vincents ordentliches Latein, das er auf der Quäkerschule gelernt und für aktuelle Zwecke aufgefrischt hatte. Das war einer der Gründe, warum sie ihn zum Botschafter ernannt hatten, denn neben Andrew und Emil fand man nur ein halbes Dutzend weitere Männer im Regiment, die diese Sprache überhaupt beherrschten. Das Latein der Roum war natürlich nicht die Standardlehrbuchversion, wie man sie aus Cäsars Gallischem Krieg lernte, sondern eine weit volkstümlichere Variante, aber ansonsten hatte sich die Sprache im Verlauf von zweitausend Jahren erstaunlich wenig verändert – mal abgesehen von der Einstreuung tugarischer Wörter, anscheinend ein verbreitetes Phänomen bei allen, die unter der Herrschaft der Horde lebten.
    Andrew hatte den Jungen hierhergeschickt, damit er die Arbeiter militärisch anleitete – handelte es sich bei den Arbeitertrupps doch zugleich um eine voll bewaffnete Brigade, die jederzeit von einem Augenblick auf den anderen kampfbereit sein konnte. Aber über all diese Qualifikationen hinaus fand Andrew, dass Vincent die höchsten Ideale der Republik verkörperte, und der Colonel wollte Marcus mit diesen Idealen konfrontieren, indem er ihm einen Vertreter präsentierte, der ohne jede Arglist war. Vielleicht war Arglosigkeit nicht der beste Wesenszug für einen Botschafter, aber es lohnte, in diesem heiklen Eröffnungsstadium des ersten Bündnisses der Rus das entsprechende Risiko einzugehen.
    Mit kalter, starrer Miene musterte Marcus Kal forschend. Die beiden konnten als Herrscher kaum unterschiedlicher abschneiden. Kal, erkennbar aus dem einfachen Volk, die rundliche Gestalt angetan mit zerknittertem schwarzen Anzug und gekrönt von dem leicht albernen Zylinder, lächelte den Roum-Patrizier offen an, der vor ihm stand wie eine zum Leben erwachte Statue aus einer fernen, legendenumwobenen Zeit.
    Beide wahrten einen Augenblick lang Schweigen. Dann brach Kal das Eis, trat vor und reichte Marcus die linke Hand.
    Marcus warf einen Blick auf den leeren rechten Ärmel, und seine Miene hellte sich auf, als er Kals Linke ergriff.
    Auf Lateinisch sagte er: »Euer Arm – niemand hat mir davon erzählt. Er ist verloren, wie der Keanes.« Und während er sprach, blickte er zum Colonel hinüber und lächelte.
    Andrew und Marcus waren schon zu etlichen Gelegenheiten zusammengetroffen, als die Verhandlungen über Handels- und Militärbeziehungen zwischen den beiden Völkern eröffnet worden waren. Zwischen ihnen entstand allmählich Freundschaft, das Band zwischen zwei Männern, die wussten, was Verantwortung bedeutete.
    »Präsident Kalencka hat seinen Arm verloren, während er Suzdal gegen die Tugaren verteidigte«, warf Andrew ein.
    »Dann ist er ein Krieger wie Ihr«, stellte Marcus beifällig fest und betrachtete Kal mit Respekt.
    »Nichts geht darüber, ein Held zu sein, wenn man das Volk beeindrucken möchte«, erklärte Kal offenherzig, denn er spürte, wovon der Wortwechsel zwischen Marcus und Andrew kündete.
    »Es hilft«, pflichtete ihm Andrew bei.
    »Nun, dann schreiten wir doch zur Unterschrift«, sagte Kal und deutete lächelnd zum Tisch auf der Gleisbettung.
    Der kleine Präsident und der Konsul traten an den Tisch, auf dessen Purpurdecke zwei Dokumente ausgebreitet waren, eine in der kyrillischen Schrift der Rus, die andere auf Latein.
    Marcus nahm die Feder entgegen, die Vincent ihm reichte, und setzte seinen Namen unter beide Dokumente; dann zeichnete Kal ein bisschen befangen einfach sein Symbol, eine stilisierte Maus – etwas, was Marcus interessiert verfolgte.
    »Ihr könnt nicht schreiben?«, fragte Marcus wieder auf Latein.
    Erneut spürte Kal die Bedeutung der lateinischen Worte und blickte zum Konsul auf.
    »Bis zur Ankunft der Yankees war ich nur ein Bauer. Sie jedoch machten mich, machten uns alle, zu freien und gleichen Menschen, die nicht mehr nur Vieh für die Tugaren waren. Und ich bin dabei, das Schreiben zu lernen; trotzdem ziehe ich es noch immer vor, meinen Spitznamen zu zeichnen – die Maus.«
    Andrew übersetzte rasch. Es war nicht die diplomatischste aller Antworten, so viel war ihm sofort klar. Die Roum hatten es geschafft, auch ohne den Impuls einer sozialen Revolution, wie die Rus sie als Erstes durchgeführt hatten, die zerlumpten Überreste der Tugaren zurückzuschlagen. Marcus war als Angehöriger der herrschenden Kaste zwar begeistert vom Sturz der alten Besatzer, zugleich jedoch eindeutig nicht erfreut über die weitergehenden sozialen

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