Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
versperrten ihm mit ihre Größe beinahe die Sicht.
»Seien Sie da drüben vorsichtig!«, mahnte ihn Hans scharf.
»Machen Sie sich keine Sorgen um mich – nicht einmal dieser Hund würde es wagen, das Versprechen Casmars zu besudeln.«
»Wir behalten einfach alles scharf im Blick, und vergessen Sie bitte nicht den Revolver unter Ihrer Jacke.«
Kal nickte geistesabwesend und tatschelte die Waffe, die unter dem Stumpf des rechten Arms steckte. Er hatte sich heftig gegen diese Vorsichtsmaßnahme gewehrt, aber Hans beendete diese Auseinandersetzung schließlich, indem er verkündete, dass er Kal mit körperlicher Gewalt am Gehen hindern würde, falls er ihm diesen Gefallen nicht tat.
Ein Priester erschien unter der Tür und hob die Hand.
Kal verließ das Haus, und die Wachleute drängten sich um ihn und verfielen in einen Trab, sodass Kal rennen musste, um mit ihren langen Beinen Schritt zu halten. Schwer atmend erreichte er die Tür gegenüber. Lange eingeübtes Verhalten brach sich Bahn, und er verbeugte sich vor dem Priester und strich dabei mit der Hand über den Boden.
»Herr Präsident, ich bin es, der sich vor Ihnen verneigen müsste«, flüsterte der Priester nervös.
Kal nickte den Wachleuten zu, und sie wandten sich ab und zogen sich über die Straße zurück. Der Priester führte Kal ins Haus und schloss und verriegelte die Tür hinter ihm.
»Verzeihen Sie, Herr Präsident, aber ich muss das tun«, sagte der Priester, streckte die Hand aus und klopfte Kals Seite ab.
Ein bisschen verlegen knöpfte Kal das Hemd auf und holte den Revolver hervor, den der Priester behutsam zur Hand nahm und auf einen Beistelltisch legte.
»Es tut mir Leid«, flüsterte Kal leise.
»Wir leben in schrecklichen Zeiten«, sagte der Priester und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er möge ihm folgen.
In der Kirche herrschte der alte vertraute Geruch von Kerzen und Weihrauch, und Kal holte tief Luft. Der Duft erinnerte ihn an einfachere Tage, als er, ein bescheidener Bauer, in den hinteren Reihen der Kathedrale stand und dem Chor lauschte, der zum Hochamt an Perm und Seinen Sohn Kesus ertönte.
Kal betrat das Hauptschiff des Doms, kniete nieder und schlug das orthodoxe Kreuzzeichen, ehe er den Weg in das Südschiff fortsetzte, dem langen Korridor entlang der Privatkapellen folgte und schließlich vor der Tür zu Casmars Büro stehen blieb.
Eine Tür am hinteren Ende des Flures ging auf, und ein Priester trat ein, gefolgt von zwei Männern. Kal wandte den Blick ab und schenkte ihnen keine weitere Beachtung.
Unter der Tür vor ihm tauchte Casmar auf, angetan mit dem vollen Ornat eines Erzprälaten der heiligen Kirche. Die Purpursoutane war mit Silberfaden bestickt; das scharlachrote Innenfutter leuchtete wie mit eigenem Licht. Der hohe Hut war mit Edelsteinen besetzt und das Kreuz darauf aus massivem Gold gefertigt. Für Kal war es seltsam, Casmar so zu erblicken. Er hatte sich an die schlichte schwarze Soutane gewöhnt, die Casmar sonst vorzog, in der Kirche wie auch als Richter am obersten Gerichtshof.
Kal verneigte sich erneut tief und sah im Augenwinkel, dass Mikhail es ihm gleichtat, während Cromwell einfach danebenstand, die Arme auf der Brust verschränkt.
»Ich habe diese heilige Kirche der Sicherheit von Euch dreien versprochen«, verkündete Casmar förmlich. »Vergesst das nicht, denn Ihr steht hier auf heiligem Boden.«
Kal empfand einen Stich Schuldgefühl wegen des Revolvers, sagte aber nichts, als er das Büro betrat und dabei Mikhail folgte, der sich schon vorausgedrängt hatte.
Casmar setzte sich ans Kopfende des Tisches, und Kal, der nur einen Stuhl an der Seite entdeckte, von wo aus man die Tür im Auge hatte, setzte sich darauf, seinen beiden Gegenspielern zugewandt.
»Es war Mikhail, der mit dem Vorschlag zu dieser Besprechung an mich herantrat«, sagte Casmar. »Ich willigte ein, als Vermittler und Garant für Sicherheit zu dienen, bewegt von der Hoffnung, das sinnlose Blutvergießen zu beenden, welches aufs Neue über unsere Stadt gekommen ist.
Deshalb gewähre ich ihm das Privileg, als Erster zu sprechen.«
Mikhail blickte Cromwell an und wandte sich dann Kal zu.
»Es liegt sechs Tage zurück, dass meine Truppen den Süden der Stadt befreit haben«, begann Mikhail. »Ich denke, es wird Zeit, diese Torheit zu beenden, Kalencka. Als Präsident des Staates der Rus biete ich Euch Bedingungen an, mit dem Ziel zu verhindern, dass unsere Stadt bis auf die Grundmauern niederbrennt.«
»Ich
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