Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
Tauschhandel über Lebensmittel einzugehen. Es wäre sinnlos gewesen, gegen sie anzurennen; wenn die Tugaren jedes einzelne Volk zu überwältigen versuchten, die Roum, die Kan und Kathi und die anderen dahinter, dann wäre ihr eigenes Volk von dieser Welt verschwunden, denn die Wanderer zogen ihnen voraus und verbreiteten in aller Welt die Kunde, dass Vieh sich zum Kampf erhoben und den Sieg davongetragen hatte.
Muztas einzige Hoffnung bestand darin, eine sichere Zuflucht zu finden, einen Platz, wo die Kinder der Horde heranwachsen konnten, um die leeren Ränge wieder zu füllen und seinem einzigen überlebenden Sohn ein Volk zu schenken, das sich eines Tages wieder zu Herren aufschwingen konnte.
Und dann waren die Merkisendboten vor ihm aufgetaucht wie feixende Geier. Wiesen ihn an, unter dem Schutz des Bluteides in der Viehstadt Cartha zu erscheinen und dort Jubadi Qar Qarth aufzusuchen. Falls er sich weigerte, würde man Muztas Volk vernichten. Seine Leute waren jetzt über anderthalb tausend Kilometer entfernt, lagerten in einem Kreis aus Bergen, lebten vom Fleisch der eigenen Pferde und von ahnungslosem Vieh, das sie fingen; dort erwarteten sie die Rückkehr ihres Qar Qarth mit der Nachricht, ob es nun eine Zuflucht geben würde oder den Tod.
Das Schiff schaukelte unter ihm, und er spürte eine seltsame Bewegung im Magen. Er verabscheute das Wasser von jeher. Der Marsch der Tugaren um die Welt führte stets um die großen Wasserflächen herum, anders als die Wege der südlichen Horden, die an mehreren Stellen – wie dieser -gezwungen waren, sich von Vieh übersetzen zu lassen.
Zum ersten Mal fiel sein Blick auf das Reich der Cartha, und er konnte nicht seine Bewunderung für die Macht dieses Viehs verhehlen, für ihre riesige Stadt, neben der die Rus und die anderen Viehländer auf dem Marschweg der Tugaren klein und schwach wirkten.
Die Stadt breitete sich kilometerlang an der Meeresküste aus; ihre Kalksteinmauern und riesigen, hoch aufragenden Tempel schimmerten im Licht des mittleren Vormittags in rotem Glanz. Hinter der Stadt erblickte Muzta endlose Terrassenfelder mit hunderten großer Schöpfräder, die Wasser aus der Süßwassersee hochpumpten und sich durch die Arbeitsleistung Zehntausender fortwährend drehten.
Rings um Muzta pflügten Hunderte Schiffe tief durch die See, angetrieben vom gleichmäßigen rhythmischen Schlag der Ruderer. Die Ruder tauchten ein und stiegen wieder auf, und die Blätter tropften von rotem kristallinem Licht. Wenn Muzta über die Schulter blickte, sah er die gebeugten Rücken der Ruderer des eigenen Schiffs von Schweiß glänzen und ihre Muskeln sich spannen. Bei ihrem Anblick knurrte ihm der Magen vor Hunger.
»Wie viele Stück Vieh leben in diesem Land?«, fragte er leise.
»Es heißt, dass die Cartha mehr als vier Millionen zählen«, antwortete sein Merkiführer gelassen, wenn auch ein Unterton von Stolz in den Worten mitschwang. »Wie viele Rus gab es?«
Muzta blickte den Krieger an, der ihn mit einem bösen Lächeln bedachte. Wortlos wandte sich Muzta ab.
Das raue Schmettern von einhundert Nargas peitschte durch die Luft. Muzta, aus seinen Gedanken gerissen, blickte zum Ufer hinüber, während das Schiff zwischen zwei Molen hindurchfuhr, die den Außenhafen der Stadt markierten. Als sie im Zentrum der Bucht waren, sah er einen Kanal, der nach rechts abbog und um eine Biegung verschwand, hinter der eine Reihe von Rauchfahnen aufstieg. Direkt voraus waren tausend Krieger der Vushka Hush auf den Hafenmauern aufgestellt, des Elite-Urnen der Merkihorde, und ihre Gefechtswimpel flatterten.
Ihm wurde innerlich kalt, und er fühlte sich nackt, während er ihre Rossschweifstandarten betrachtete. Sie waren zu früh hier, dem üblichen Marschtempo mindestens sechs Monate voraus, und er musste sich fragen, ob sie die Bantag irgendwie hatten zurückschlagen können und Jubadi jetzt die nötigen Kräfte aufbringen konnte, um in diese Stadt vorauszueilen. Muztas kleine Hoffnung, die Carthas würden sich womöglich erheben und den Merki genau das verabreichen, was ihm selbst widerfahren war, verschwand endgültig. Es war richtig gewesen herzukommen, so viel musste er schließlich zugeben. Über ein Jahr lang war er den Spähern Jubadis ausgewichen; jetzt konnte er ihn nicht mehr aufhalten.
Hätte ich doch nur selbst noch solche Macht!, dachte er traurig und verbannte diese Gedanken dann.
Der gleichmäßige Schlag der Ruderer stoppte. Befehle in der gutturalen Sprache
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