Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
leicht erschienen. Die Bojaren wollten die Yankees tot sehen. Die Rebellion war Letzteren aufgezwungen worden, als sich die Bauern spontan gegen ihre verhassten Herren erhoben. Vincent spürte, dass auch hier Hass schwelte; die Sklaven, an denen er vorbeikam – und die ganze verdammte Stadt schien voller Sklaven –, musterten ihn schon mit ausgesprochener Ehrfurcht. Trug er womöglich dazu bei, eine weitere Rebellion anzufachen, die noch mehr Menschen das Leben kostete? Mussten sie in jeder Stadt eine Revolution durchführen, mit dem Schwert in der Hand eine endlose Folge von Kriegen austragen? Tausende würden sterben, und beim Gedanken daran wurde ihm übel; er hatte für ein Leben lang genug vom Töten. Vielleicht hatte ihn Andrew deshalb zum Botschafter ernannt und Kal diese Entscheidung bestätigt, sobald er zum Präsidenten gewählt worden war: als Quäker fühlte sich Vincent einfach verpflichtet, einen besseren Weg zu finden als mit dem Schwert, wie er es zuvor getragen hatte.
»Denn stellen wir Sie vor ein unlösbares Problem«, sagte er gelassen zu Marcus und hielt sich gut fest, als dieser den Wagen durch ein Verkehrsgetümmel lenkte, das sich beim Näherkommen des ersten Konsuls in alle Winde zerstreute.
»Es ist Ihre Aufgabe, die Antwort herauszufinden«, sagte Marcus kalt, als sie aus der Durchgangsstraße hervorbrausten und die Plaza des Forums erreichten. Vincent staunte lächelnd über den Anblick. Die Bauwerke, die den einen Morgen großen Platz säumten, waren alle aus Kalkstein errichtet. Das Forum hatte eine Fassade aus kannelierten Säulen und war gekrönt von einer Kuppel, auf der wiederum die Marmorstatue des Jupiters aufragte.
Marcus’ Palast an der gegenüberliegenden Seite des Platzes leuchtete strahlend weiß in der Nachmittagssonne. An den übrigen Seiten standen die kleineren Paläste der zwanzig Familien, die über das gewaltige Reich und die beinahe zwei Millionen Einwohner Roums herrschten. Anders als die Rus hatten sich die Roum nie durch eine endlose Rivalität zwischen Bojaren gespalten, sondern waren unter einem Konsul vereint geblieben, ein Amt, das seit Jahrhunderten in ungebrochener Erbfolge vom Vater auf den Sohn weitergegeben wurde.
Allein das machte Vincent nachdenklich, was die politische Aufgabe anging, die hier vor ihm lag. Die Rivalität der Bojaren hatte es den Yankees immerhin ermöglicht zu überleben, und sie trug dazu bei, die Saat für eine Revolution zu legen. Hier existierte keine vergleichbare Rivalität, die man hätte ausnutzen können, und man traf keine Kirche an. Obwohl die Ruskirche früher ein Feind gewesen war, hatte sie sich zwischenzeitlich zu einem zuverlässigen Bundesgenossen der Republik entwickelt. Zu allem Überfluss übertrafen die Roum an Zahl um das mehr als Dreifache die Rus, hatten sie doch nicht unter den Verheerungen des Krieges gelitten.
Falls man jetzt Roum die neue Rüstungstechnik beibrachte, sich das Land jedoch letztlich zu einer feindlichen Macht entwickelte, erwiesen sich die daraus entstehenden Probleme womöglich als unlösbar. Vincent spürte, dass eine kritische Zeit erreicht war, in der die Neuartigkeit der entstandenen Kontakte und das Gefühl der Freiheit von den Tugaren eine Offenheit zwischen den beiden Ländern begründeten. Ein falscher Zug konnte das alles umwerfen und einen Präzedenzfall schaffen, der den Traum von der Einheit und der vorbestimmten Expansion der neuen Ideen für immer zum Scheitern verurteilte. Hier lag die Saat für ernste künftige Probleme im Boden, vorläufig überwogen von der überlegenen Technik; selbst das konnte jedoch mit der Zeit kippen.
»Ich werde mich jetzt meinen Senatoren stellen und mir ihre Hirngespinste darüber anhören, wie Ihre Männer eine Sklavenrevolte anzetteln«, sagte Marcus in einem Ton, der zu Vincents Überraschung beinahe warmherzig klang.
»Marcus, Sie haben gerade mal die Grundlagen dessen gesehen, was freie Menschen leisten können«, sagte Vincent und packte den Konsul am Arm.
»Ist das eine Drohung?«
»Nein, Sir, ein Versprechen dessen, was Roum erreichen könnte. Stimmen Sie vielleicht der Auffassung zu, dass Sklaven im Allgemeinen ein fauler, zielloser Haufen sind, bereit zu betrügen und zu stehlen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit einem Mindestmaß an Arbeit durchzukommen?«
»Natürlich!«, lachte Marcus. »Sie stehen noch unter jedem Abschaum und sind dümmer als mein Pferd.«
Vincent zuckte innerlich zusammen, denn die Sklaven, die
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