Das Verlorene Symbol
wochenlang nach ihm gesucht, die Leiche jedoch nie gefunden. Schließlich waren die Suchmannschaften zu dem Schluss gekommen, dass die Strömung die Leiche hinaus in die Chesapeake Bay getragen hatte.
Sie haben sich geirrt, dachte Katherine schaudernd. Er lebt.
Und er ist wieder da.
Das alles war vor fast genau zehn Jahren geschehen, an Weihnachten. Katherine, Peter und ihre Mutter hatten sich auf dem weitläufigen Familiensitz in Potomac versammelt, auf einem zweihundert Morgen großen Grundstück.
Isabel Solomon werkelte emsig in der Küche, um nach alter Feiertagssitte ihre beiden Kinder zu bekochen. Selbst mit fünfundsiebzig Jahren war sie eine unermüdliche, begeisterte Köchin. An diesem Abend wehte der verlockende Duft von gebratenem Fasan, Pastinakensoße und Kartoffelpüree mit Knoblauch durchs Haus.
Während ihre Mutter das Festessen zubereitete, entspannten Katherine und Peter sich im Musikzimmer und redeten über Katherines jüngstes Steckenpferd, die neue wissenschaftliche Disziplin mit Namen Noetik, eine Verbindung von moderner Quantenphysik und antikem Mystizismus – eine Mischung, die Katherines Fantasie außerordentlich angeregt hatte.
Physik trifft Philosophie.
Katherine erzählte Peter von Experimenten, die sie gerne vornehmen wollte, und sah die Faszination in seinen Augen, was sie umso mehr freute, als die Feiertage Peter jedes Jahr aufs Neue an eine schreckliche Tragödie erinnerten.
An seinen Sohn Zachary.
Der einundzwanzigste Geburtstag von Katherines Neffen war auch sein letzter gewesen. Die Familie hatte einen Albtraum durchlebt. Doch endlich schien Peter den schlimmsten Schmerz überwunden zu haben.
Zachary war ein Spätentwickler gewesen, ein rebellischer, zorniger, im Grunde jedoch schwacher junger Mann. Trotz seiner privilegierten Erziehung schien er fest entschlossen, sich vom Solomon'schen ›Establishment‹ zu lösen. Er wurde von der Privatschule geworfen, feierte rauschende Partys und widersetzte sich jedem noch so liebevollen Versuch seiner Eltern, ihn wieder bei der Hand zu nehmen.
Kurz vor Zacharys achtzehntem Geburtstag hatten Isabel und Peter erwogen, dem Jungen sein Erbe zu verweigern, bis er reifer geworden war. Das ›Solomon-Erbe‹ war die alte Tradition, jedem Spross des Klans am achtzehnten Geburtstag einen großzügigen Teil des Familienvermögens auszuzahlen. Die Solomons waren der durchaus nachvollziehbaren Ansicht, dass ein solches Erbe einem Menschen am Anfang seines Lebens mehr nutzt als am Ende. Diese Praxis hatte sich für die Solomons bewährt: Die frühzeitige Auszahlung beträchtlicher Summen an junge, ehrgeizige Familienangehörige hatte dazu beigetragen, dass das Vermögen der Solomons rasch gewachsen war.
In Zacharys Fall jedoch, argumentierte Isabel, sei es riskant, ihm eine größere Summe Geldes anzuvertrauen. Peter aber widersprach ihr. »Das Solomon-Erbe«, hatte er gesagt, »ist eine Familientradition, mit der nicht gebrochen werden darf. Das Geld könnte dafür sorgen, dass Zachary verantwortungsbewusster wird.«
Er hatte sich geirrt.
Kaum hatte Zachary das Geld, brach er mit der Familie und verschwand, um ein paar Monate später in der Boulevardpresse wieder aufzutauchen: REICHER PLAYBOY GENIESST EUROPÄISCHES JETSET-LEBEN.
Die Zeitungen genossen es, Zacharys ausschweifendes Leben in sämtlichen Facetten zu dokumentieren. Die Fotos von wilden Partys auf Jachten und den Besuchen bekannter Nobeldiscos in volltrunkenem Zustand waren für die Solomons eine schreckliche Last. Doch es kam noch schlimmer. Irgendwann waren die Fotos ihres missratenen Sprösslings nicht mehr tragisch, sondern beängstigend gewesen, als die Zeitungen berichteten, Zachary sei bei dem Versuch erwischt worden, Kokain zu schmuggeln: MILLIONÄRSSOHN IN TÜRKISCHEM GEFÄNGNIS.
Das Gefängnis, so erfuhren die Solomons, hieß Soganlik – ein verrufener Knast der Klasse F im Bezirk Kartal unmittelbar vor den Toren von Istanbul. Peter Solomon fürchtete um die Sicherheit seines Sohnes und flog in die Türkei, um ihn aus dem Gefängnis zu holen, kehrte jedoch verzweifelt und mit leeren Händen zurück. Man hatte ihm sogar verboten, Zachary auch nur zu besuchen. Die einzige hoffnungsvolle Neuigkeit war, dass Peters einflussreiche Kontakte im US-Außenministerium daran arbeiteten, Zachary so schnell wie möglich aus der Türkei zu holen.
Doch zwei Tage später erhielt Peter einen niederschmetternden Auslandsanruf. Am nächsten Morgen lauteten die Schlagzeilen:
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