Das Verlorene Symbol
Langdon; zu viel war bereits auf ihn eingestürmt. Die Menschen studieren ihr Leben lang die Mysterien und besitzen dennoch keinen Zugriff auf die Macht, die sich darin angeblich verbirgt. Langdon trat Dürers Melencolia I vor Augen – das Bild des niedergeschlagenen Adepten, umgeben von den Werkzeugen seiner gescheiterten Versuche, die mystischen Geheimnisse der Alchimie zu enträtseln. Wenn diese Geheimnisse tatsächlich aufgedeckt werden können, so finden sie sich nicht an einem einzigen Ort.
Jede Antwort, so hatte Langdon stets geglaubt, verteilte sich in Tausenden von Büchern auf der ganzen Welt … stand verschlüsselt in den Schriften des Pythagoras, Hermes, Heraklit, Paracelsus und Hunderten anderer. Die Antwort fand sich in verstaubten, vergessenen Bänden über Alchimie, Mystizismus, Magie und Philosophie. Die Antwort verbarg sich in der alten Bibliothek von Alexandria, sumerischen Tontafeln und den Hieroglyphen Ägyptens.
»Peter, es tut mir leid«, sagte Langdon leise und schüttelte den Kopf. »Das Begreifen der Alten Mysterien ist ein lebenslanger Prozess. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Schlüssel dazu in einem einzigen Wort ruhen sollte.«
Peter legte Langdon eine Hand auf die Schulter. »Robert, das Verlorene Wort ist kein Wort.« Er lächelte weise. »Wir nennen es nur das ›Wort‹, weil die Alten es so nannten … im Anfang.«
KAPITEL 130
Im Anfang war das Wort.
Reverend Galloway kniete in der großen Vierung der National Cathedral und betete für Amerika. Er betete dafür, dass sein geliebtes Land die wahre Macht des Wortes erkennen möge – all die gesammelten und niedergeschriebenen Wahrheiten, wie die großen Meister sie gelehrt hatten.
Die Geschichte hatte die Menschheit mit genialen Gelehrten gesegnet, zutiefst erleuchteten Seelen, deren Verständnis der spirituellen und geistigen Mysterien alle Vorstellung überstieg. Die wunderbaren Worte dieser Adepten – Buddha, Jesus, Mohammed, Zoroaster und zahllose andere – hatten im ältesten und wertvollsten aller Gefäße die Geschichte überdauert.
In Büchern.
Jede Kultur auf Erden hatte ihr eigenes heiliges Buch – ihr eigenes Wort –, jedes anders und doch gleich. Für die Christen war das Wort die Bibel, für die Muslime der Koran, für die Juden die Thora, für die Hindus die Veda und so weiter.
Das Wort wird den Weg erhellen.
Für Amerikas freimaurerische Gründerväter war das Wort die Bibel gewesen. Und doch haben nur wenige Menschen in der Geschichte ihre wahre Botschaft verstanden.
In dieser Nacht, da Galloway allein in der großen Kathedrale kniete, legte er die Hände auf das Wort – sein eigenes, zerlesenes Exemplar der Freimaurer-Bibel.
Wie alle Freimaurer-Bibeln enthielt dieses geliebte Buch das Alte Testament, das Neue Testament und einen Schatz von philosophischen Schriften der Freimaurer.
Galloway kannte das Vorwort auswendig. Dessen wundervolle und tröstliche Botschaft war von Millionen seiner Brüder in zahllosen Sprachen überall auf der Welt gelesen worden.
Der Text lautete:
DIE ZEIT IST EIN FLUSS … UND BÜCHER SIND BOOTE. VIELE BÜCHER MACHEN SICH AUF DEN WEG DEN STROM HINUNTER, DOCH NUR UM AUF GRUND ZU LAUFEN UND FÜR IMMER VERLOREN ZU GEHEN. NUR WENIGE, SEHR WENIGE, HALTEN DEN ZEITEN STAND UND ÜBERLEBEN, UM ZUKÜNFTIGE ZEITALTER ZU ERLEUCHTEN.
Es gibt einen Grund, warum diese Bücher überlebt haben, während andere verschwunden sind. Galloway, der Gelehrte des Glaubens, hatte es immer schon als verwunderlich betrachtet, dass die ältesten spirituellen Texte – die meiststudierten Bücher der Welt – gleichzeitig die waren, die am wenigsten verstanden wurden.
Ein wundersames Geheimnis verbirgt sich in diesen Seiten.
Eines nicht allzu fernen Tages würde das Licht am Horizont erscheinen, und die Menschheit würde endlich die schlichte und doch alles verändernde Wahrheit der alten Lehren verstehen … und damit einen gewaltigen Schritt nach vorn tun, was das Verständnis ihrer eigenen wunderbaren Natur betraf.
KAPITEL 131
Die Treppe im Washington Monument bestand aus 896 Steinstufen, die um einen offenen Fahrstuhlschacht herumführten. Robert Langdon und Peter Solomon waren auf dem Weg nach unten, wobei Langdon immerzu daran denken musste, was Peter ihm vorhin eröffnet hatte: Das ›Wort‹, das unsere Vorväter in dem hohlen Eckstein verborgen haben, ist die Bibel.
Unvermittelt blieb Peter auf einem Treppenabsatz stehen und schwenkte den Taschenlampenstrahl auf
Weitere Kostenlose Bücher