Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
hatte. Doch die silbernen Augen
starrten Axis noch immer tückisch an, als die Klinge in
die einzig verwundbare Stelle schnitt.
»Timozel!« krächzte die Kreatur im Sterben.
Der Sternenmann fuhr zurück, als hätte er einen
Schlag ins Gesicht erhalten. Und nur Arnes Eingreifen
war es zu verdanken, daß sein Herr nicht von einem
anderen Skräling an der Kehle gepackt wurde.
»Timozel …« konnte der General nur stöhnen. »Timozel?«
Arne griff nach Belaguez’ Zügeln und zog den Hengst
aus dem dichtesten Getümmel. Sein Herr starrte immer
noch auf die Stelle, wo die Kreatur eben ihr Leben
ausgehaucht und im Sterben den Namen seines früheren
Freundes und Offiziers ausgestoßen hatte. Das Schwert
hielt Axis kraftlos in der Hand, und er konnte den Blick
nicht wenden, obwohl dort schon wieder erbittert
gekämpft wurde und von der Leiche nichts mehr zu
sehen war.
Dem Getreuen blieb bald nichts anderes mehr übrig,
als seinem General einen Backenstreich zu versetzen.
»Also schlägt der Verräter jetzt zu, Sternenmann, na
und? Ihr wußtet, daß Euch das erwartete. Kein Grund,
sich zu entsetzen! Zurück ins Gefecht, Herr, kämpft und
siegt für uns!«
Klarheit kehrte in Axis’ Blick zurück, und seine Finger schlossen sich erneut fest um den Schwertgriff.
»Timozel!« rief er noch einmal. »Bei den Göttern!«
Der Krieger blickte in den Himmel. Weitsicht, wo
stehen wir im Moment?
Immer noch an der Böschung des Azle, Sternenmann.
Wenn Ihr Euer Vorhaben in die Tat umsetzen wollt, dann
am besten jetzt. Unsere Bodentruppen können den
Skrälingsmassen nicht mehr lange standhalten. Die
Reihen schwanken bereits bedrohlich, und trotz unseres
Sperrfeuers halten die Geister immer noch genügend
Ersatz in Bereitschaft. Sie drängen unvermindert
ungestüm vor. Euch bleiben vielleicht zehn Minuten,
bevor die Unseren weichen müssen und womöglich
überrannt werden. Deswegen säumt nicht länger!
Verstanden, Geschwaderführer. Zieht jetzt alle Eure
Einheiten zurück, ich habe Euch lange genug der Gefahr
ausgesetzt!
Ein gutes Stück von ihm entfernt entdeckte er Belial
am rechten Flügel. Er gab seinem Leutnant das verabredete Zeichen, und der nickte nur. Dann suchte und fand
Axis Magariz, der den linken Flügel befehligte, und auch
der Fürst gab ihm knapp zu verstehen, daß er das Zeichen
gesehen habe. Das Vorhaben würde ihn die größte
Anstrengung kosten, und vielleicht kamen dabei auch
einige seiner eigenen Soldaten ums Leben. Aber seine
ganze Armee wäre dem Untergang geweiht, wenn er es
nicht wenigstens versuchte.
Der Krieger entfernte sich mit seinem Hengst noch
weiter von der Kampflinie, und Arne sorgte dafür, daß
ihm niemand im Weg stand. Axis zog derweil den
Handschuh von der Rechten, starrte auf den Ring, prägte
sich die neue Stellung der Edelsteinsplitter ein und
richtete all seine Gedanken ganz auf das Zauberlied.
Der Sternenmann fing an zu summen, und seine
Stimme formte sich wie von allein zu Musik und Worten.
Die Weise schwebte über das Schlachtfeld, seine
Soldaten fingen an zu jubeln und sorgten dann dafür,
einen sicheren Stand zu haben.
Hallo, mein Lieber, was für ein schönes Lied. Etwa
Euer Grabgesang?
Axis fuhr vor Schreck über Timozels Einmischung
zusammen. Wie war der Jüngling überhaupt in der Lage
dazu? Für einen Moment schwankte seine Stimme, aber
dann konzentrierte er sich wieder, achtete nicht weiter
auf seinen ehemaligen Freund und umfaßte mit aller ihm
zur Verfügung stehenden Kraft den Sternentanz.
Ich kämpfe jetzt für einen bedeutenden Herrn, Axis, und
in seinem Namen werde ich gewaltige Siege erringen. Im
Vergleich zu Gorgrael seid Ihr ein erbärmlicher Wicht.
Die Gesichtsmuskeln des Kriegers zuckten. Verdammter Jüngling! Fragen und Erregung drohten ihm, den Sinn
zu verwirren. Mehr als alles andere wollte der Krieger
Timozel zur Strecke bringen und ihn dann fragen, warum
er sich dem Zerstörer angeschlossen habe. Warum
ausgerechnet Gorgrael? Aber dazu blieb jetzt natürlich
keine Zeit. Er mußte das Lied singen. Alles andere war
unwichtig. Axis dachte an Aschures ruhiges Lächeln, und
das verscheuchte die Bilder von Timozel aus seinem
Kopf.
Die Energie des Sternentanzes durchströmte ihn, und
der Krieger mußte hart darum ringen, sich von ihr nicht
überwältigen zu lassen. Nie zuvor hatte er so viel
ungeheure Macht gerufen, und jetzt fürchtete er sehr um
die möglichen Auswirkungen auf sich selbst.
Unter den Füßen
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