Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Und bis jetzt
dachte ich, ich hätte diesen Namen selbst ausgesucht.
Dabei hat Wolfstern bewirkt, daß mein Sohn Caelum
genannt wurde.«
»Ich habe Euch Geschichten von Macht erzählt«,
erklärte Wolfstern, »und dafür gesorgt, daß Eure eigene
Macht unter Eurem Mantel der Furcht am Leben blieb.«
Aschure drehte den Kopf zur Seite, um das Gehörte zu
verarbeiten.
»Jetzt hätte ich auch eine Frage«, sagte Sternenströmer.
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, entgegnete sein
Ahn.
»Warum habt Ihr beide ausgebildet, Axis und Gorgrael?«
»Sternenströmer, Ihr werdet es mir wahrscheinlich
nicht glauben, aber ich will es Euch dennoch sagen: Ich
habe keine Macht über die Prophezeiung und bin
genauso an sie gebunden wie jeder andere«, erklärte er
ihm noch einmal mit Nachdruck. »Allerdings war es mir
möglich, einige Vorkehrungen zu treffen. Glaubt mir
bitte, mir liegt sehr viel daran, daß Axis seinen bösen
Bruder besiegt. Und ich will alles in meiner Macht
stehende unternehmen, um der Weissagung dabei zu
helfen, zu einem erfolgreichen Abschluß zu finden. Der
Krieger bedurfte einer Ausbildung, um bei seinen
Aufgaben bestehen zu können. Und ich hielt es für
richtig, mich ebenfalls um Gorgrael zu kümmern.«
Sternenströmer wurde wieder unruhig, aber sein Ahn
konnte nicht schon wieder darauf eingehen. »Der
Zerstörer sollte nach meinen Vorstellungen geformt
werden, und indem ich dies vollbrachte, besitzt er jetzt
eine Eigenschaft, dank derer Axis ihn zu bezwingen
vermag.«
»Welche denn?« wollte Aschure sofort wissen und sah
ihren Vater drängend an.
»Unsicherheit. Mangelndes Selbstbewußtsein. Diese
Gemütsschwankungen haben ihn bereits dazu verleitet,
einen schweren Fehler zu begehen. Ich hoffe, daß seine
Irrtümer eines Tages zu seinem Ende führen werden.«
»Axis zweifelt aber auch gelegentlich«, wandte die
junge Frau ein.
»Vermutlich hat er das von seinem Vater geerbt.«
Wolfstern konnte sich diese Spitze einfach nicht verkneifen. Aber dann fuhr er rasch fort, ehe der Angesprochene
aufbrausen konnte: »Meine Tochter, Eure Aufgabe
besteht darin, dem Krieger die Zweifel zu nehmen, damit
er mit sich selbst ins reine kommt.«
Die junge Frau nickte lächelnd, und in ihren Augen
stand zu lesen, wie stolz sie auf diesen Auftrag war.
Doch bevor Aschure ihren Vater weiter befragen konnte,
erhob Sternenströmer schon wieder seine Stimme.
»Aber warum mußte Morgenstern sterben? Welche
Entschuldigung wollt Ihr für den feigen Mord an meiner
Mutter vorbringen?«
»Ich muß das tun, was die Prophezeiung von mir
verlangt.«
Das konnte Sternenströmer natürlich in keiner Weise
befriedigen: »Die Weissagung muß wohl für alles
herhalten, was? Dahinter läßt es sich sehr gut verstecken!«
»Eure Mutter hat mich in meiner Verkleidung gesehen. Zur damaligen Zeit durfte ich nicht das Wagnis
eingehen, von ihr verraten zu werden. Deswegen blieb
mir nichts anderes übrig, als das Notwendige zu tun.«
»Wie schon bei den Kindern, deren Tod Ihr auf Euer
Gewissen geladen habt!« krächzte der Ikarier mit
heiserer Stimme.
Zum ersten Mal ließ Wolfstern sich anmerken, wie
sehr ihn dieser Vorwurf traf. Aschure fragte sich schon,
ob er wieder mit der gleichen Entschuldigung aufwarten
würde wie bisher – nämlich daß der Ring der Ersten
Zauberin ihn dazu gezwungen habe. Aber dann verblüffte
er seine Zuhörer.
»Dafür habe ich mich wirklich von ganzem Herzen zu
entschuldigen, Sternenströmer, bei Euch und durch Euch
beim gesamten ikarischen Volk.«
Axis’ Vater konnte ihn nur fassungslos anstarren. Als
er seine Sprache wiedergefunden hatte, stand Wolfstern
am Fenster und gab ihm mit einer Handbewegung zu
verstehen, er möge schweigen.
»Aschure«, begann er dann und klang sehr dringlich,
»die Zeit läuft mir davon, und ich muß Euch noch etwas
überaus Wichtiges mitteilen … aber wie beginnen? Ich
fürchte, Gorgrael hat mich überlistet …« Wolfstern lachte
kurz. »Wie sehr ich es hasse, es zugeben zu müssen, aber
ich darf nicht schweigen: Gorgrael hat, wie Ihr wißt, die
Greifen neu geschaffen. Aber was Ihr nicht wissen könnt,
er hat sie mit einem furchtbaren Geheimnis ausgestattet.«
Und nun berichtete Wolfstern ihnen, wie der Zerstörer die
Greifen trächtig erschuf. Deren Junge kämen ebenfalls
trächtig zu Welt, und so vervielfältige sich mit jeder neuen
Generation das Heer der Himmelsbestien. »In wenigen
Monaten stehen meinem Schüler
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