Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
mehr Schößlinge ein.
Und hütet Euch vor den Schatten.
Die Jägerin machte sich immer noch um ihre Freundin
Sorgen, aber viel größere Unruhe bereitete ihr der
Gedanke an den Krieger. Könnte sie ihm überhaupt
helfen, wenn sie irgendwann bei ihm eintraf? Bliebe ihr
noch so viel Zaubermacht? Wie viele Tage waren bereits
vergangen, seit er sich zuviel Energie des Sternentanzes
zugemutet hatte und dadurch seiner Fähigkeiten verlustig
gegangen war? Und wo hielt er sich mittlerweile auf?
Aschure hatte natürlich keine Ahnung, ob ihr Bote zu
Belial durchgekommen war, und während des Rittes
nagte die junge Frau immer häufiger nervös an ihrer
Unterlippe. Wenn sie eine geschlagene Armee zu führen
hätte, wohin würde sie sich dann mit ihr wenden? Aber
woher sollte sie die näheren Umstände kennen, die den
Sternenmann in seiner Entscheidung beeinflußt hatten?
»Sucht«, flüsterte sie den Alaunt eindringlich zu.
Sicarius drehte den Kopf und sah seine Herrin fragend
an. »Sucht nach Axis, und führt mich zu ihm.«
Der Hund senkte seinen großen Schädel, schnüffelte
im Schnee und setzte sich wieder in Bewegung.
So jagten sie über das Land.
Und mehr als einmal erhielt die Jägerin Gesellschaft.
Aschure, bemerkte Xanon eines Tages, während sie
mühelos neben Venator her lief und sich mit einer Hand
an seiner Mähne festhielt, ich will Euch mehr über den
Sternentanz erzählen. Denn dies müßt Ihr wissen, wenn
Ihr Eurem Gemahl helfen wollt.
Ja, ja, sagt mir alles.
Erinnert Ihr Euch an das Geheimnis, das mein Gemahl Adamon Euch offenbarte?
Die Jägerin spürte, wie ihr vor Erregung heiß und kalt
wurde. Ja, ja.
Gut. Dann wißt Ihr auch, daß alles Leben innerhalb
des Sternentanzes besteht. Alles Leben muß seinem Klang
lauschen.
Das verstehe ich nicht.
Das werde Ihr schon noch. Nun laßt uns für ein paar
Minuten schweigen und dabei dem Sternentanz lauschen.
Aber ich kann ihn immerzu hören.
Ja, das könnt Ihr, aber ich weiß nicht, ob Ihr ihn auch
wirklich versteht. Laßt Euch vom Sternentanz durchströmen … und dann hört auf die Geräusche der Hufe Eures
Rosses, wie sie über den Boden stampfen … auf das
Hecheln Eurer Hunde … und auf das Pochen Eures
eigenen Herzens.
Aschure schloß die Augen, und ihr ganzer Körper
schwankte im Rhythmus zu dem schnell trabenden
Venator. Die Musik der Sterne drang in sie ein, erfüllte
sie und umhüllte sie.
Und an ihrer Seite lächelte die Göttin.
Sobald die Jägerin sich vollkommen der Musik der
Sterne hingegeben hatte, duldete sie auch andere
Geräusche … das Stampfen der Hufe … das Hecheln der
rennenden Alaunt … und das Pochen ihres eigenen
Herzens …
… das Rauschen der Brandung an den Gestaden …
… Anwachsen und Vergehen des Mondes bei seiner
und ihrer Wanderung über den Himmel …
XANON?
Die Göttin warf den Kopf in den Nacken und lachte
laut. Und die Musik und das Lachen halfen Aschure zu
verstehen.
Xanon, alles Leben bewegt sich im Rhythmus des
Sternentanzes, flüsterte die junge Frau in Gedanken. Wir
alle bewegen uns zu seinem Takt.
Richtig. Der Rhythmus durchdringt alle Bereiche des
Lebens. Gut, daß Ihr das nun erkannt habt. Nun reitet
weiter, und während Ihr immer weiter vorankommt,
lauscht dem Rhythmus des Sternentanzes … denn er ist
der Pulsschlag des Lebens.
Drei Tage, nachdem Aschure Hsingard hinter sich
gelassen hatte, ritt sie durch Jervois. Leer und still
breitete die Stadt sich aus, und es fand sich weder
menschliches noch ikarisches Leben in ihr. Schneeflokken trieben durch die verlassenen Straßen. Aber alles Eis
und aller Frost, an welche die Jägerin sich noch erinnerte,
als Axis Plusternests Erinnerungen heraufbeschworen
hatte, waren verschwunden. Jervois bot zwar immer noch
einen winterlichen Anblick, aber der Frost hielt den Ort
nicht mehr fest umklammert. In ihm fanden sich sogar
geschützte Stellen, an denen sich hin und wieder ein
Vogel oder ein Eichhörnchen entdecken ließen, die dort
auf das Tauwetter warteten.
Vermutlich spürten diese Tiere bereits, wie das Bardenmeer sich so viele Meilen tiefer im Süden ausbreitete.
Aschure verbrachte die Nacht in einem kleinen Haus
am Stadtrand, und der oberste Sternengott setzte sich zu
ihr ans Feuer.
Adamon, Xanon hat mir gezeigt, wie alles Leben sich
im Rhythmus des Sternentanzes bewegt.
Das ist richtig.
Die junge Frau dachte eine Weile nach und stützte das
Kinn in die Hand, während sie in die Flammen starrte. Adamon, ich
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