Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Meine
Sinne, so daß ich nicht genau weiß, wo sie sich befindet.
Deine Aufgabe besteht darin, sie aufzuspüren und
aufzuhalten, bevor sie Wälder auf gutem Ackerland
pflanzen kann. Wenn sie jemals ihre Aufgabe zu Ende
bringt, dann werde Ich … Ich …
Gilbert spürte die Angst des Gottes. Er wußte nicht,
wovon Artor sprach, und er verstand auch nicht, aus
welchem Grund Faraday verderbte Zauber wirken
mochte oder weshalb sie eine Gefahr darstellte. Aber das
mußte ein Teil seiner Prüfung sein.
Dann bin Ich verloren, flüsterte der Gott. Dann bin Ich
durch diese einzige Tat verloren. Es erfüllte Ihn mit
großen Sorgen, trotz all Seiner Macht nicht in der Lage
zu sein, Faradays Aufenthaltsort herauszufinden, was
bedeutete, daß die Macht der Mutter, welche Faraday
vorwärtstrieb, von Tag zu Tag an Stärke gewann.
Der Wald ist böse, und er muß zerstört werden, auf
daß er sich niemals wieder erhebe. Nun zitierte Artor das
Buch des Feldes und der Furche, den heiligen Text, den
Er der Menschheit vor Tausenden von Jahren geschenkt
hatte. Holz dient nur dazu, den Menschen zu nützen, und
ihm darf niemals gestattet werden, wild und ungebändigt
zu wachsen, frei, um dunklen Schatten und bösen
Geistern Schutz zu bieten.
Gilbert überkam ein Blitz der Erkenntnis. »Deshalb
legten wir vor tausend Jahren Hand an den dunklen
Wald, Gesegneter. Sollte er wieder zum Leben erwachen,
dann würden seine Wurzeln den Weg des Pfluges
ersticken.«
Ja. Ja, du wirst Mir gut dienen, Gilbert. Sorge dafür,
Mir gut und getreulich zu dienen, Gilbert, denn in
Meinem Zorn bin ich furchtbar!
Gilbert hegte die besten Absichten, den Willen seines
Gottes so umfassend wie möglich zu erfüllen. Wie
schwierig mochte es sein, Faraday zu finden und sich
ihrer zu entledigen? »Ich werde die übriggebliebenen
Pflughüter und Brüder einsammeln, Großer Herr, alle,
die ich finden kann. Je mehr Augen für mich sehen, desto
eher wird es mir gelingen, diese Frau zu finden. Und
sobald ich sie aufgetrieben habe, werde ich sie töten.«
Artor lächelte. Der Narr mußte noch eine Menge
lernen, aber was ihm an Unbedarftheit im Weg stand,
ersetzte er durch Ergebenheit und eine beispiellose
Bewunderung für seinen Gott. Von seiner Art waren
nicht mehr allzu viele übrig.
Gut. Ich werde dafür sorgen, daß heimatlose Brüder,
die immer noch dem Glauben anhängen, deinen Weg
kreuzen. Sie sollen deine Sklaven sein.
Segnend berührte Er Gilberts Stirn.
Du wirst dein Bestes geben, Bruderführer Gilbert. Du
wirst eine göttliche Mission um Meinetwillen erfüllen.
Und du wirst alles für mich tun.
Dann verschwand er.
Moryson verharrte noch fast eine Stunde in seiner
zusammengerollten Stellung, bevor er es wagte, sich zu
erheben. Er konnte kaum fassen, daß Artor ihn am Leben
gelassen hatte. In seinem langen, langen Leben war er
seiner vollkommenen Vernichtung noch niemals so nahe
gewesen. Der Alte schaute sich nach dem jüngeren Mann
um.
Gilbert saß bei dem mittlerweile erkalteten Lagerfeuer,
und seine Augen brannten vor Inbrunst, während er Pläne
für seine Mission schmiedete.
Wolfstern schmiegte sich tief in die dunkle, dunkle
Nacht. Alles ging schief. Gorgrael versprach, die Himmel
mit einer nicht nachlassenden Anzahl von Greifen zu
füllen, und jetzt tauchte Artor auf, verflucht sei Seine
schwarze, unsterbliche Seele, und wanderte auf der
Suche nach Rache durch Tencendor. Hatte die Prophezeiung von diesen beiden Ereignissen gekündet? Nein
und nochmals nein.
»Ich muß nachdenken«, ermahnte er sich selbst. »Ich
muß nachdenken.«
Nach einer Weile formte sich der Gedanke ganz wie
von selbst in seinem Bewußtsein. Aschure. Bei den
Sternen, er brauchte jetzt Aschure. Mehr noch, ganz
Tencendor bedurfte der jungen Frau!
6 K ARLON
Axis rieb sich die müden Augen und versuchte angestrengt zu verhindern, daß sich das tiefe Unbehagen, das
er in seinem Innersten empfand, auf seinem Gesicht
abzeichnete. Er erinnerte sich daran, daß Priam seinerzeit
in eben diesem Ratssaal gesessen und mit von Sorgenfalten durchfurchtem Gesicht seinen Befehlshabern die
schlechten Neuigkeiten mitgeteilt hatte.
Zehn Tage waren seit seiner Hochzeit vergangen, und
nun setzte der Krieger Truppen nach Norden Richtung
Jervois in Marsch. Er vermutete nämlich, daß Gorgrael
erneut den Versuch unternehmen würde, mit dem
Hauptteil seiner Kräfte ins südliche Tencendor vorzudringen, und zwar, wie schon im letzten Winter,
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