Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
über
Jervois. Die Truppen hatten sich auf Schiffe begeben,
unter normalen Umständen die schnellste und rationellste
Methode, eine große Zahl von Soldaten samt Vorräten zu
bewegen. Unter normalen Umständen.
»Sie haben keine Möglichkeit weiterzukommen?«
fragte Axis nach.
Belial starrte seinen Freund unverwandt an. »Der
Nordra ist hinter dem Tal in den Westbergen in voller
Breite und Länge zugefroren, Axis. Kein Schiff, kein
Frachter kann nach Aldeni oder Skarabost durchkommen. Der Norden ist von uns abgeschnitten.«
»Genau wie die Truppen, die in Jervois stehen, Herr«,
fügte Magariz hinzu.
Axis ließ den Blick durch den Raum schweifen, während er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Der
Ratssaal hatte sich seit Axis’ Tagen als Axtherr des
Seneschalls in Priams Rat kaum verändert. Aber mochte
der Saal in seiner Grundgestalt und im Schmuck seiner
Wandbehänge auch gleich geblieben sein, die Art der
Personen, die sich heute hier versammelt hatten, hatte
sich gegenüber früher deutlich gewandelt. Von Axis
abgesehen, war nur noch Isgriff, damals Baron und heute
Prinz von Nor, da. Herzog Roland hielt sich immer noch
in Sigholt auf, wo die Krankheit ihn nicht ganz so rasch
von innen auffraß. Der unglückliche Graf Jorge hatte sich
mit einem der ersten Schiffe nach Jervois begeben, und
Baron Fulke kümmerte sich zur Zeit um die Traubenernte
in Romstal.
Jetzt saßen die Geschwaderführer der Ikarier gemeinsam mit einem Häuptling aus Rabenbund und Fürsten
und Befehlshabern der Menschen in dieser Runde. Um
diesen Tisch herum gruppierten sich auch andere
seltsame Wesen, und manche saßen sogar darunter.
Sternenströmer nahm an der Besprechung teil, wenn auch
nicht als Mitglied des Kriegsrats, und auch Aschure war
zugegen, obwohl sie immer noch nicht wieder ganz bei
Kräften war. Aber es schien der jungen Frau schon ein
wenig besser zu gehen. Ihr zu Füßen und im Raum
verteilt ruhten die großen Alaunt.
Komm schon, Mann, denk nach, ermahnte sich der
Krieger. Sie warten auf deinen Rat. Sie glauben an dich.
Aber in Wahrheit hatte sich Axis nach seinem Sieg
über Bornheld und der Ausrufung von Tencendor kaum
Gedanken über die weitere Zukunft gemacht. Er hatte
sich niemals ernsthaft überlegt, wie er mit Gorgrael
verfahren wollte. Nun stand Gorgrael im Begriff, den
Entscheidungskrieg wieder voranzutreiben, und es sah
ganz so aus, als ob sie die letzte Schlacht zu Gorgraels
Bedingungen ausfechten müßten.
Axis riß sich zusammen, als ihm bewußt wurde, daß
die anderen ihn immer noch anstarrten.
»Weitsicht, besteht die Möglichkeit, Eure Fernaufklärer in den Norden zu schicken, damit sie das Ausmaß der
Bedrohung auskundschaften?«
Der dienstälteste Geschwaderführer in der ikarischen
Luftarmada schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein,
Sternenmann, ganz und gar nicht. Das Wetter wird
stündlich schlechter. Heftige Stürme wehen aus dem
Norden und bringen Schneeregen und Frost über
Tencendor. Selbst wenn die Fernaufklärer in diesen
Stürmen überlebten, könnten sie dennoch nichts erkennen.«
Aschure mischte sich mit leiser Stimme ein: »Wie
viele unserer Männer befinden sich zur Zeit in Jervois,
Axis?«
»Mehr als achttausend. Fünftausend, die Bornheld dort
gelassen hat und dreitausend meiner eigenen Soldaten.
Und eine einzige Staffel der Luftarmada. Wenn die
Meldungen über die dortigen Wetterverhältnisse
zutreffen, müssen sie wohl am Boden bleiben.«
Magariz und Belial wechselten einen besorgten Blick.
»Für den Fall, daß Gorgrael angreift, sind sie verloren«, meinte der Prinz. »Achttausend Männer können
den Kräften, die der Zerstörer wahrscheinlich gegen sie
aufbietet, keinesfalls standhalten.«
»Verflucht, das weiß ich!« rief Axis. »Aber was kann
ich tun? Mir steht keine Möglichkeit zur Verfügung,
irgendwelche weiteren Truppen rasch nach Norden zu
verlegen – sogar das Andeismeer wird von Stürmen
heimgesucht, die so wild sind, daß wir allein in der
vergangenen Woche fünf Schiffe verloren haben.« Er
unterbrach sich und versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen.
»Gorgrael wird zuschlagen«, griff er den Faden wieder
auf, »und noch dazu bald. Uns bleibt nur, uns so gut wie
irgend möglich darauf vorzubereiten.«
»Wir bewegen uns nach Norden?« fragte Belial.
Axis schaute ihn ruhig an, dann musterte er die im
Raum Anwesenden. Einem seiner Befehlshaber nach
dem anderen blickte er fest in die Augen. »Wir beginnen
noch heute mit den
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