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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Händlern und Bauern. An den leuchtenden
Farben ihrer Kleidung und den gefiederten Flügeln
erkannte Frau Renkin hier und da jene Wesen, die man
Ikarier nannte, und sie fragte sich, was diese prachtvollen
Geschöpfe wohl hier wollten.
    Sie rümpfte die Nase und setzte sich gerade hin. Das
Leben hatte sich während des vergangenen Jahres
wahrlich so sehr verändert, daß man davon ganz wirr im
Kopf wurde. Die man früher als die Unaussprechlichen
verfolgt und abgelehnt hatte, hieß man heute willkommen. Wer sich einst im Dunkel verborgen hatte, stolzierte
jetzt im Licht der Mittagssonne einher. Die alten
Geschichten, die man sich früher des Nachts im Licht des
Mondes nur hinter vorgehaltener Hand zugeraunt hatte,
wurden heutzutage von jedem fahrenden Spielmann
gesungen – sogar jetzt zupfte ein in fröhliche Farben
gekleideter junger Mann die Saiten seiner Laute,
während er einer großen Gruppe bewundernder Bauern
samt ihren Kindern ein Lied über uralten Zauber vortrug.
    Und kein Hüter des Pfluges, kein Bruder des Seneschalls war in Sicht. Einst hätte man einen solchen
Spielmann überwältigt, geknebelt und fortgezerrt, um ihn
der Aufwiegelei und der Ketzerei anzuklagen, und am
nächsten Morgen hätte ein Scheiterhaufen gebrannt. Aber
jetzt lachten die Menschen auf dem Marktplatz und
klatschten Beifall, als der Spielmann sein Lied beendet
hatte, und warfen Kupfermünzen in den Hut zu seinen
Füßen. Und niemand schenkte den gefiederten Gestalten
in der Menge noch übermäßige Beachtung.
    Wie so viele andere kam auch Frau Renkin zu dem
Schluß, daß ihr die neue Welt durchaus gefiel. Sie war
viel farbiger, viel fröhlicher und ganz gewiß viel
aufregender als die alte. Sie vermißte die Belehrungen
der Bruderschaft des Seneschalls kein bißchen, ebensowenig wie den gelegentlichen Besuch eines Pflughüters.
Die Bäuerin verzichtete gern auf die Notwendigkeit,
jedesmal über die Schulter blicken zu müssen, wenn sie
die Fußpfade der Hochebene durchwanderte, um Kräuter
zu sammeln, und sie vermißte es auch nicht, in Gegenwart ihrer Kinder ihre Zunge hüten zu müssen, damit ihr
nicht eine der alten Geschichten entschlüpfte, die ihr ihre
Großmutter einst angsterfüllt vor dem Entdecktwerden
zugemurmelt hatte.
    Das Leben hatte sich wahrhaftig verändert, und allem
Anschein nach hatte die Veränderung eingesetzt,
nachdem die Edle ihre bescheidene Hütte mit ihrer
Anwesenheit beehrt hatte.
»Bäuerin Renkin!«
    Aus ihren Träumereien aufgeschreckt, sprang Mutter
Renkin auf die Füße. Vor ihr stand, ein strahlendes
Begrüßungslächeln auf dem breiten Gesicht, Symondus
Dewes, ein Schafhändler aus Arken. Er schüttelte ihr
herzlich die Hand, denn er kannte sie, seitdem er
zweimal durch das nördliche Arken zu den Schafsmärkten nach Rhätien gereist war.
    »Bäuerin Renkin, Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie
glücklich ich bin, Euch hier anzutreffen. Die Renkinschafe sind begehrt, und ich sehe, daß Ihr Eure besten Tiere
zum Markttag von Tare mitgebracht habt.«
    Frau Renkin war hocherfreut über diese Worte und
auch darüber, Dewes hier anzutreffen. Denn er pflegte
einen mehr als angemessenen Preis für die Schafe zu
zahlen, die er erwarb, und wenn er alle achtundzwanzig
Tiere kaufte, dann bliebe ihr praktisch der ganze Tag, um
staunenden Auges und mit wohlgefüllter Börse über den
Markt zu bummeln. Dann setzte die Bäuerin eine ernste
Miene auf. »Das sind die Prunkstücke unserer Herde,
Symondus Dewes, und Ihr werdet mir einen hohen Preis
zahlen müssen, wenn Ihr sie aus meiner Obhut übernehmen wollt.«
    Dewes grinste. Bauer Renkin feilschte immer endlos
um den besten Preis für seine Schafe, und es sah ganz
danach aus, als hielte es seine Frau nicht anders. »Aber
sie sehen nach der Reise dürr und mager aus, gute Frau.
Vielleicht solltet Ihr nicht den vollen Preis für halbe
Schafe verlangen.«
    Zehn Minuten lang feilschten sie zum eigenen Vergnügen hin und her, die Bäuerin resolut, der Händler entschlossen. Schließlich einigten sie sich auf einen Preis, der
beide zufriedenstellte und jedem die Überzeugung ließ,
einen günstigen Handel abgeschlossen zu haben. Die
Goldmünzen wurden in die ausgestreckte Hand der
Bäuerin gezählt, und als sie eben erfreut den Blick hob,
um dem Händler für seine Großzügigkeit zu danken,
blieben ihr die Worte im Halse stecken, da sie zwei der
geflügelten Geschöpfe sah, die sich ihr näherten.
    »Symondus!«

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