Das Vermaechtnis
aufgewacht bist, aus deinem langen Schlaf, hast du Kahuna - Koī mit deinen großen Augen, die die Farben der Blätter haben, reglos angestarrt, sagtest kein Wort und schienst den Atem anzuhalten, solche Angst steckte in deinem Körper. Deine zarte Seele war nicht mehr zu sehen, so sehr hattest du sie versteckt vor der Außenwelt. Kahuna - Koī merkte das sofort, legte in einer freundlichen Geste und seinem reinen Lächeln seine Hände auf deine, für einen kurzen Moment, nickte dir zu und entfernte sich etwas von dir, um dir damit zu zeigen, dass er nur Gutes will und dass du nicht allein bist. Er signalisierte dir damit, dass er dich versteht und deine Furcht respektiert, dass du menschliche Nähe offensichtlich als etwas sehr Bedrohliches empfandest.
Er rief mich gleich und gab mir ein Zeichen, als ich in die Hütte kam. So bewegte auch ich mich langsam und hielt Abstand und begrüßte dich mit unserem aloha’oe . Du weißt, unser aloha’oe ist nicht nur ein normaler Gruß, es ist mehr, denn es bezeichnet auch die Anwesenheit des Lebensatems, der Lebensenergie, die wir miteinander teilen. Dieser Gruß hat für uns etwas Heiliges. Aber das wusstest du noch nicht, für dich war es ein neues Wort. Und wir saßen da, alle drei. Der Kahuna und ich lächelten unser schönstes und liebevollstes Lächeln. Wir schickten dir unsere liebevollste Wärme. Keiner von uns wagte sich zu rühren. Dann hatte ich eine Idee – ich stand auf und tanzte, dort, wo ich war, auf der Stelle, ganz ruhig. Bewegte sanft meine Hüften und meine Arme und sang dir leise ein zärtliches Willkommen. Dann setzte ich mich wieder. Du starrtest uns weiter an, unbeweglich, mit deinen großen Augen – damals schienen sie mir sehr groß! Jetzt, wenn du lachst, sieht man sie fast gar nicht mehr… Kahuna deutete dir mit einem Zeichen in den Himmel und zu dir, dass die Götter dich zu uns geschickt haben, und lächelte unentwegt. Aber du schienst gar nicht mehr zu atmen, wenn er sprach. Also besprachen wir kurz, dass es wohl besser wäre, wenn ich allein bei dir bleiben würde. Vielleicht hättest du bei einer Frau mehr Vertrauen. So ging er vor die Hütte und zum Strand hinunter, damit du endlich einmal durchatmen konntest. Und tatsächlich. Ganz, ganz langsam bist du ruhiger geworden und hast gemerkt, dass wir dir nur Gutes wollen. Du warst viel zu schwach, ansonsten wärst du bestimmt sofort geflohen. Insofern war es gut, denn so haben wir langsam dein Vertrauen gewinnen können. Endlich, nach einigen Tagen hast du über die Späße gelacht, die der Kahuna unermüdlich machte. So hatte auch er es geschafft und wir waren unendlich froh, als wir merkten, dass es dir von Tag zu Tag besser ging.
Die Götter müssen dich wirklich sehr lieben, nach alledem, was du durchgemacht hast! Sie haben dich eine lange Reise machen lassen, um dich an einen sicheren Ort zu bringen, wo du endlich ohne Angst leben kannst. Sie haben dir den Weg zu uns gewiesen, wo du dir der Liebe von allen sicher sein kannst. Wir atmen alle die gleiche Liebe.“
Alēi’na ist für einen Augenblick ganz in sich versunken. Uhala’an lässt ihr die Zeit. Alēi’na scheint sich einen inneren Ruck zu geben.
„Fast jeden Tag habe ich das Bild von euch beiden vor mir, in Kahuna - Koīs Hütte. Ich danke den Göttern jeden Tag, dass ich euch beide getroffen habe! Euch beide! Und dass es all die Menschen des Dorfes und diesen Ort hier auf der Erde gibt. Die Götter, ja, eure Götter, sie haben mir geholfen. Weil ihr mir geholfen habt, glaube ich das. Ihr seid gute Menschen und ihr habt gute Götter.
Aber die Götter meiner Eltern sind es nicht. Sie haben meine Eltern zu sich gerufen. Sie haben es einfach zugelassen, dass böse Menschen sie mir genommen haben, nur, damit es wieder regnen würde… Mich wollten sie auch, doch sie haben mich nicht erwischt. Das Meer ist zu groß.“
Sie macht eine kurze Pause.
„Mein Vater war Fischer und ich war mit ihm oft im Boot unterwegs. Ich konnte noch nicht laufen, da war ich schon mit ihm auf dem Meer. Auch schwimmen konnte ich, glaube ich, schon immer. Ich war ihr einziges Kind. Sie haben mir meine Haare geschoren, wegen der Farbe. Sie hatten Angst, dass, weil es bei uns sonst kein anderes Kind mit solchen Haaren gab, dass sie dafür bestraft werden würden. Alle hielten mich daher für einen Jungen. Deswegen, und damit sie mich nicht so oft sahen, nahm mein Vater mich von klein an in seinem Boot mit aufs Meer. Ich war glücklich dort. Das
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