Das Vermaechtnis
Stelle, wo das Wasser aus den Bergen ins Meer läuft. Kahuna - Koī meinte, wenn wir an dieser Stelle wären und es käme Feuer vom Meer, wie auch immer, dann wäre dort das Wasser, welches kein Meerwasser ist und uns daher schützen würde. Außerdem trug die Stimme der alten Seherin keine Zeichen der Bedrohung. Sie sagte nur, es käme Feuer vom Meer, aber nichts von unserem Dorf oder vom Strand und irgendwelchen Vernichtungen durch Feuer. Deshalb fuhren die Fischer wie gewohnt hinaus nachdem Kahuna - Koī wie jeden Morgen seine Worte an Kanaloa , den Gott des Meeres und Lono , den Gott der Winde sprach, indem er um Schutz und Unterstützung beim Fischfang bat.
Sie blieben allerdings auf Sichtweite und wir Frauen banden wie immer Blütenketten und jede Frau, deren Mann auf dem Meer war band eine extra Kette, die sie dem Meer als Geschenk übergab.“
„Das ist ein wunderschöner Brauch! Erst verstand ich so vieles von euch nicht und tu es auch immer noch nicht so richtig, doch ein bisschen kann ich es jetzt fühlen. Ich stelle mir einfach vor, dass ich mich freuen würde, wenn ich das Meer wäre. Das Meer kenne ich besser als die Menschen, und ich fühle, dass das Meer sich darüber freut, über so viel Achtung, die ihr ihm entgegen bringt. Aber mir ist aufgefallen, dass du dir nie eine Blütenkette umhängst, nicht einmal zum hula , wo wir alle Blütenketten tragen. Wenn du eine Kette trägst, dann lässt du sie offen… Warum?“
„Das ist eine andere Geschichte. Ich mag grundsätzlich nicht gern irgendetwas um meinen Hals tragen, schon seit ich denken kann. Du wolltest doch wissen, wie es weiterging, als wir dich damals aus dem Meer fischten…“, lenkt Uhala’an vom eigenen Thema ab.
„Ja, wie ging es weiter, damals…“ Alēi’na hat sofort wieder angebissen.
„Die Fischer näherten sich früher als sonst wieder dem Strand. Irritiert gingen wir ihnen dennoch so weit es ging mit unseren Blumenketten im Wasser entgegen. Irritiert waren wir vor allem, weil sie nicht so viel winkten, wie sonst. Du weißt, auch wenn sie jeden Tag hinausfahren würden, so ist es jeden Tag eine Freude und ein Fest, dass sie wieder zurückkommen. Es winken sonst immer alle, kaum, dass wir uns sehen.
Gleich wird es wieder so sein, denn die Seherin stand vorhin schon kurz vor ihrer Hütte und schaute zum Meer, ein sicheres Zeichen, dass die Fischer bald kommen müssten…“ Uhala’an reckt ihren Kopf, als könne sie so noch weiter über den Horizont blicken.
„Sie kommen aber noch nicht… Du machst es so spannend! Ich weiß jetzt immer noch nicht, wie es weiter ging!“
Das Spiel mit der jungen Ungeduld macht Uhala’an sichtlich immer wieder Spaß.
„Du kennst die Geschichte wohl schon an die hundert Mal“, neckt sie und muss wieder lachen.
„Ja, das schon, aber ich habe immer noch von neuem Angst, dass die Fischer es einmal nicht schaffen könnten, mich rechtzeitig zu euch an Land zu bringen, damit ich weiter gerettet werden kann. Ich denke jedes Mal, ‚hoffentlich schaffen sie es’!“ Uhala’an sieht die junge Frau an und merkt, dass ihr sehr ernst mit dem ist, was sie sagt. Die Angst sitzt tatsächlich noch sehr tief. Sie ist aber gewiss, dass das Vertrauen in ihr mit der Zeit immer stärker werden wird und die Angst sich langsam über das Meer zurückziehen wird.
„Das möchte ich nicht, dass du Angst hast, nach so langer Zeit. Jeder Tag mehr bei uns beweist dir doch, dass wir dich in unsere Gemeinschaft vom ersten Tag an aufgenommen haben. Mit dem ersten gemeinsamen Atemzug“, versucht sie, die junge Frau zu ermutigen. Alēi’na setzt sich wieder auf.
„Hättet ihr meine Eltern auch aufgenommen?“, fragt sie fast, als würde sie es anzweifeln.
„Ja, natürlich! Wir würden jeden Menschen aufnehmen, der zu uns findet. Und deine Eltern besonders gern. Wir würden eine Hütte für sie bauen, wohl neben meiner Hütte. Dort, wo wir bald eine Hütte für dich bauen werden, wenn du möchtest.“ Beim ersten Teil ihrer Worte lächelt Alēi’na , doch beim zweiten Teil reißt sie ihre grünen Augen weit und fast entsetzt auf.
„Wieso sagst du so etwas? Wieso eine Hütte für mich? Mit wem? Nein. Mit wem? Nein. Soll ich nicht mehr bei dir wohnen? Willst du…“, platzt es empört aus ihr heraus.
„Halt, halt, halt! Du bist ja wie Pele , die ihren Leib aufbläht, um Feuer zu speien. Es geht dabei nicht um mich. Wenn es nach mir ginge, könntest du ewig bei mir sein. Es wäre dann unsere gemeinsame
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