Das Vermaechtnis
debattieren schon eifrig über ihre Möglichkeiten und ziehen voller Energie und Tatendrang los in Richtung Töpferei.
„Mehr kann ich nicht tun, ich werde ihr keinen Befehl geben, aber einen Auftrag wird sie von mir erst bekommen, wenn ich sehe, dass sie ruhiger wird. Vielleicht schafft sie es ja, von ihrer Arbeitsbesessenheit runterzukommen, wenn sie sieht, dass ihre Jungen sie so stark unterstützen. Vielleicht wendet sie sich dann tatsächlich dem reinen Verkauf zu und lässt die schwere körperliche Arbeit ihre kräftigen Jungen übernehmen und vielleicht… Ach… Es tut mir so weh, ihr zuzusehen und in ihre Augen zu schauen und sie mit meinen Worten nicht mehr erreichen zu können.“
Sie seufzt tief.
Sie überqueren weiter den Platz, gehen vorbei an einem großen Tor, wo Encheduanna-Kyr kurz stehen bleibt, um Sa-La-Na von ihrem Auftrag an die Bronzegießer und Metallarbeiter hier hinter diesen Mauern zu erzählen.
„Aus Zinn-Bronze lasse ich kleine Figuren für den Tempel anfertigen, die unsere wichtigsten Götter darstellen sollen. Sie arbeiten mit zwei Künstlern zusammen, die wunderbare Abbilder der Götter fertigen können. Auch ein paar Schalen habe ich in Auftrag gegeben. Und Töpfe aus Kupfer. Einige Geräte werden hier auch hergestellt und auch Waffen aus Kupfer und Bronze. Bronzene sind deutlich härter als die Kupferwaffen, dennoch, viele gibt es noch nicht. Mein Vater, der große Gott-König Rosuran-Sargon , hatte sogar eine ganz seltene und kostbare Doppelaxt aus Eisen.“
Sie schauen durch das Tor. Der ganze, schon sehr große Innenhof ist unter dem heißen Dampf fast nur schemenhaft zu erkennen. Die heißen Temperaturen, mit denen gearbeitet wird, sind zu der auch normal schon vorherrschenden Hitze selbst beim bloßen Anblick kaum zu ertragen: Aus Kesseln steigt Dampf auf oder von den Metallen, die aus den Erzen herausgeschmolzen werden oder vom Herstellen der Zinn-Bronze. Auch der Geruch ist unangenehm. Das sind extreme Bedingungen, unter denen die Männer dort arbeiten und hervorragende Gegenstände hervorzaubern. Manche haben sich immerhin Tücher vor Mund und Nase gebunden, manche.
Sie gehen nun durch den Bezirk, der direkt an den Tempelbezirk grenzt. Gleich im ersten Haus ist der Schmuckkünstler mit seinen wundervollen Einlegearbeiten aus Gold- und Silberstücken. Dazu verwendet er meist Lapislazuli, Karneol, Achat, Onyx oder Quarzit. Encheduanna-Kyr hat dem Schmuckkünstler verschiedene Schmuckstücke, auch einzelne Perlen und kleine Talismane in Auftrag gegeben, denn die meisten Ketten, Ohrringe, Ringe, Fesselschmuck, Armreife, die sie besessen hatte, waren von Ushlaran-Lugal-Ane und seinen Männern gestohlen oder vernichtet worden. Auch ihre Priesterinnen sollen zum baldigen Akitu -Fest angemessenen Schmuck tragen sowie Perlen-Bänder für das Haar. Der Künstler versteht es, nicht nur mit Glas hervorragend zu arbeiten, er hat ihr zum Beispiel eine Kette mit Lapislazuli und sonnenfarbenen Glasperlen aufgezogen in unterschiedlichen Größen und Formen. Besonders freut sie sich auf eine Kette mit einem Sichelmond aus Bergkristall. Auch größere Arbeiten schafft er mit der gleichen Präzision und Sorgfalt, kleine Statuen und Stelen und Siegelzylinder aus Halbedelsteinen. Sa-La-Na bewundert Encheduanna-Kyr , dass sie all ihrem verlorengegangenen Gut nicht nachtrauert, sondern das Neue annimmt und sich sogar freut.
Als sie weitergehen gibt er sich selbst endlich einen Ruck und spricht das furchtbare Thema an:
„Liebste, edelste, größte Encheduanna-Kyr , sag mir bitte, wie ist es dir ergangen im Exil? Du musstest so viel ertragen, erzählen sich die Leute, du bist so stark und groß trotz deiner Demütigungen. Es tut mir so leid, so endlos leid, dass es keine Worte für meine Empfindung mehr gibt. Ich war so weit weg, dass ich überhaupt erst sehr spät, Jahre später, von deinem Schicksal erfuhr und jeder sagte etwas anderes, dass ich fast verrückt wurde. Und niemand konnte mir dann sagen, wo ich dich finden könnte.
Nun bin ich hier, nun habe ich dich endlich gefunden, und ich bitte dich um Verzeihung, dass ich nicht da war in der Stunde deiner größten Not und gekämpft habe, dich verteidigt habe, mich um dich gekümmert habe. Bitte… Verzeih mir!“
Lange hatte er diese Worte in Gedanken gesprochen und nun endlich hat er sie aussprechen können. Aber sie klingen so kurz, so hohl, so unbedeutend, dabei bedeuten sie ihm so viel, aber wie sagt er ihr das, ihr, der
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