Das Vermaechtnis
nicht von dir!“
Sie ist außer sich und die Töpferscheibe dreht sich in einer Schwindel erregenden Geschwindigkeit.
„Aber es ist als Rat gemeint, versteh mich doch bitte nicht ständig falsch!“
Encheduanna-Kyr lässt noch nicht locker.
„Der einzige Rat ist ein Auftrag, den du mir geben kannst“, antwortet Gi-Em-Ra hart und mit eisigem Blick.
„Einen Auftrag wirst du von mir und vom Tempelbezirk nicht mehr bekommen, ich möchte nicht, dass du noch mehr arbeitest. Wenn ich dir weitere Aufträge gebe, dann trage ich die Mitschuld an deiner körperlichen Verfassung. Da nehme ich eben schlechtere Ware in Kauf.“
Auch wenn diese erzieherischen Worte wahrscheinlich wenig bewirken außer dem Gegenteil, Encheduanna-Kyr fällt wirklich nichts anderes mehr ein, denn an ihrer teuren Freundin will sie ihre hohe Position nicht so deutlich ausspielen, wie sie es sonst tun würde. Sie will ihr Vertrauen nicht gänzlich zerstören.
„Von wegen – körperliche Verfassung – siehst du nicht, mit welcher Schnelligkeit und Geschwindigkeit ich einen Krug nach dem anderen forme – das nennst du eine schlechte körperliche Verfassung?“
Sie ist vollkommen außer sich.
„Nein, auch das war nicht so gemeint, wie du es jetzt verstehst“, sagt Encheduanna-Kyr mit einem intensiven ernsten Blick, doch sie spürt die Aussichtslosigkeit.
„Ich verstehe sehr gut, hohe Encheduanna-Kyr , danke für deine Hilfe. Du siehst, ich habe zu tun. Ich bin zum Glück nicht auf die Aufträge des Tempels angewiesen.“
Gi-Em-Ra dreht und formt weiter, sichtlich bewegt und überaus wütend.
„Ja, wir gehen weiter, es gibt noch vieles zu erledigen.“
„Siehst du, du musst doch auch noch vieles erledigen… Frag doch deinen Geschichtenerzähler, ob er dir hilft, damit auch du dich nicht kaputt arbeitest, verehrte Freundin“, sagt Gi-Em-Ra provozierend. Ein vernünftiges Gespräch ist nun nicht mehr möglich. Das merken alle.
Encheduanna-Kyr und Sa-La-Na stehen auf, tragen die Hocker an ihren Platz, vorbei an den mittlerweile ganz schweigsamen Kindern. Die größeren Kinder mit dem Brettspiel haben nichts von der Streitigkeit mitbekommen und sind noch fröhlich bei der Sache. Bei ihnen verabschieden sich Encheduanna-Kyr und Sa-La-Na und verlassen den Hof der Töpferin.
Eine Weile gehen sie wieder schweigsam nebeneinander her.
Sie gehen über einen Platz, wo gerade eine ganze Horde Jungs Fußball spielt, zwei von ihnen erkennt Encheduanna-Kyr als die ältesten Jungs der Töpferin.
„Kinder scheinen das Gefühl der Hitze komplett auszuschalten, wenn sie einen Ball sehen.“
Der Ball ist eine fest gepresste Strohkugel, die mit einem Seil fest umwickelt ist. Er ist zwar nicht ganz perfekt rund, doch nahezu. Der Vater eines spielenden Jungen, der normalerweise Steinhauer ist, ist der große Ballbinder und er ist schon berühmt für die lange Haltbarkeit seiner runden Kunstwerke. Berühmt nicht nur unter den Kindern, auch Männer spielen gern dieses Spiel, meist mit einem Stock. Allerdings kommen sie sehr selten dazu, da alle lange arbeiteten, und so treffen sie sich nur zu besonderen gemeinsamen Festen.
Encheduanna-Kyr ruft die beiden Jungen zu sich, die etwas verwundert, aber auch ertappt dreinschauen. Sie erklärt ihnen in Ruhe, was ihre Aufgabe ist, dass sie diese ernst nehmen sollen, ihre Mutter nach besten Kräften unterstützen sollen, um ihr dann nach und nach Arbeit abzunehmen, damit sie sich mehr um organisatorische Dinge kümmern kann. Eine Idee wäre auch, vielleicht Freunde mit in die Produktion der Töpferware einzubeziehen, vielleicht zwei bis drei, die mittöpfern, auch Frauen und kräftige Männer, die die fertige Ware auf Holzkarren verstauen. Und einen Mann, zum Beispiel einen von Gi-Em-Ras vielen Brüdern, der dann mit einem Eselgespann mit der Karawane ziehen könne, um auch in anderen Städten, auch in weiter entfernten, ihre gute Ware zu verkaufen. So käme die getauschte Ware direkt zu ihnen und nicht über einen gut verdienenden Zwischenhändler.
Die beiden Jungen verstehen genau, wie und was sie meint. Auch der Ausblick auf eine größer angelegte Produktion und den damit verbundenen Handel scheint ihnen sehr zu gefallen, denn ihre Augen funkeln vor Begeisterung. Sie bedanken sich überschwänglich, entschuldigen sich vielmals für das unbedachte Ballspiel und gehen zu ihrem Wagen voller Ton, der die ganze Zeit über auch noch in der prallen Hitze gestanden hat und nicht im Schatten… Sie
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