Das Vermaechtnis
erwartungsvoll an.
Sie lässt sich etwas Zeit und beschaut sich das beschriebene Projekt von allen Seiten vor ihrem geistigen Auge. Es ist für den großen Tano-Bak-Tu kaum zum Aushalten, er scheint die Luft anzuhalten, um auch ja keinen Laut von seiner Entu-Priesterin zu überhören – dann endlich nickt sie und schaut ihn an. Nachdem all die angestaute Luft entwichen ist wirkt er noch schmaler.
„Oh, edle Encheduanna-Kyr , wissend und weise bist du, wir danken dir für deine Zustimmung und werden eure Erwartungen mindestens erfüllen und bei weitem noch übertreffen. Ich werde diese Entscheidung in die Mauer schreiben lassen, damit alle davon erfahren, Götter wie Menschen.“
„Das ist nicht nötig, aber wenn du gern etwas in die Mauer schreiben lassen möchtest, da hätte ich eine besondere Idee. Ich werde eine kleine Hymne an den Fluss Euphrat schreiben, und diese Tontafeln werden wir dann zur linken und zur rechten Seite des Tores an der Mauer anbringen. Bevor die Zeiten der Flut kommen, werde ich dort sitzen und dem Fluss diese Hymne vorspielen und singen, um ihn für unsere geliebte Stadt und seine Bewohner milde zu stimmen.“
„Welch eine Ehre für unsere bescheidene Arbeit, edle Encheduanna-Kyr !“
Etwas umständlich wickelt er eine neue feuchte Tonplatte aus, um sich rasch die besprochenen Änderungen mit seinem Schilfrohr-Griffel zu notieren.
„Es ist eine Ehre für mich und den Gott des Flusses, großer Tano-Bak-Tu . Auf die Mauerseite von der Seite des Flusses bitte ich dich, noch einen Fluchspruch für eventuelle Eindringlinge einzuritzen, der bewirken soll, dass die Götter den Frevler bestrafen und diesem Menschen oder seinen Nachfahren Unheil senden oder ihn sogar vernichten. Den genauen Wortlaut schicke ich dir und ich weihe ihn, wenn er eingesetzt wird. So setze dies um. Du darfst deiner Arbeit weiter nachgehen. Vielen Dank. Fühle dich eingeladen zum großen Tempelfest.“
„Oh, es ist mir eine große Ehre, eine große Ehre ist es mir, edle Encheduanna-Kyr ! Das ist mehr als ich erhoffem darf!“, und mit dem Oberkörper fleißig wippend und zu Boden sehend entfernt er sich langsam rückwärts; und hätte Encheduanna-Kyr nicht in letzter Sekunde ein Zeichen gegeben, wäre er rücklings ins Wasser gefallen mit seinen aus den Ohren hängenden bunten Stoffzipfeln. Die Einladung zum Fest von der Hohepriesterin persönlich ist nun das Allerhöchste für ihn, denn somit hat er das Vorrecht, bei den Feierlichkeiten direkt bei allen wichtigen Personen zu sitzen und einen guten Überblick über das Fest zu haben. Endlich kann er die Tänzerinnen einmal von der Nähe sehen – oh, wie er sich darauf freute! Er will alles geben, damit die neuen Pläne für die Bewässerung schnell und perfekt umgesetzt werden.
Encheduanna-Kyr lächelt, als hätte sie eben seine Gedanken lesen können und sie geht mit Sa-La-Na über den großen Tempelvorplatz, auf welchem die großen öffentlichen Feste gefeiert werden.
Ein Mann vor einem Ochsenkarren rechts neben dem Eingang zum Tempelbezirk winkt zu ihnen herüber. Er wartet sichtlich auf sie. Als Encheduanna-Kyr ihn sieht, sagt sie zu Sa-La-Na :
„Bitte entschuldige, hochgeschätzter Sa-La-Na , nun haben wir uns so lange nicht gesehen und ich brenne danach, mit dir allein zu sein und zu reden, doch meine Position und die besondere Situation nach den Unruhen durch die Revolte von Ushlaran-Lugal-Ane und noch dazu das bald bevorstehende Akitu - Fest , das Fest der Gerstenaussaat, in dessen Vorbereitung wir mitten drin stecken, verlangen, dass ich mich kümmere, auch wenn…“, sie seufzt. „Der Monat Taschritu beginnt in wenigen Tagen und einiges muss noch zuvor geregelt werden, damit alle mit diesem schönen Fest einen schönen Jahresanfang feiern und beginnen können.
Das wichtigste ist die Heilige Hochzeit und der Segen der Götter , damit die Ernte reich ausfallen wird. Seit der sterbliche König Dumuzi durch den Ritus der Heiligen Hochzeit mit Innana , die als Liebesgöttin auch die Göttin der Fruchtbarkeit ist, die Fruchtbarkeit des Landes sicherstellt, ist es auch meine Aufgabe als Vertreterin der Innana auf Erden, diesen Ritus durchzuführen.
Du weißt, es wird ein großes Fest für alle Stadtbewohner mit Essen, Musik, Gesang, Tanz, und alles wird mit Blumen festlich geschmückt.“
Sie sieht ihn entschuldigend an. Er fühlt ihren Zwiespalt und sagt milde:
„Oh bitte, sei ohne Sorge darüber, sei ohne Gedanken darüber“, und will sie
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