Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
Vom Netzwerk:
um meine sensiblen Nerven.
    „ Ciamar a tha thu ?“, fragte William fürsorglich nach meinem Befinden. Aus seinem Blick sprach unendliche Müdigkeit. Ich versuchte mich an einem beruhigenden Lächeln und bat ihn mit einer Handbewegung, sich kurz zu mir zu setzen. Er wandte sich seiner Frau zu, die ihre roten Augen mit einem Taschentuch betupfte. Sie war seit Stunden nicht von Kyles Bett gewichen und würde es wohl auch in nächster Zeit nicht tun.
    Seufzend folgte William meinem Vorschlag und zog sich einen Schemel heran.
    „Sie macht sich Vorwürfe“, erklärte er und deutete auf den gebeugten Rücken seiner Frau.
    Ich empfand tiefes Mitleid mit Kyles Mutter. Sie hatte den Kleinen nur kurz aus den Augen gelassen, als dieser beschloss, den größeren Kindern an den See zu folgen. Ehe sie bemerkte, dass ihr Sohn nicht mehr an ihrer Seite war, hatte das Unglück schon seinen Lauf genommen.
    „Der Himmel hat dich geschickt, Samantha!“, dankte mir William, und auch in seinen Augen schimmerten Tränen. „Du hast Kyles Leben gerettet.“
    Seine Stimme brach, und er fasste nach meiner Hand. „Es gibt nichts, womit sich unsere Schuld aufwiegen lässt, aber wenn wir dir irgendwie dafür danken können, dann …“
    „Das ist nicht nötig, William.“ Auch meine Stimme zitterte, aber aus Gründen, die der Vater nie verstehen würde. „Kyles Leben …“
    Ich sah Bilder vor mir. Bilder von dem anderen Schotten namens Kyle. Kyle, der schon beinahe ein Mann war, aber doch nie einer wurde – Kyle, der gestorben war, weil ich Angst gezeigt hatte.
    Einen Kyle hatte ich sterben lassen – einen anderen gerettet. War dies das Gleichgewicht der Welt? Hatte ich damit meine Schuld gebüßt? Ich räusperte mich.
    „… Ihr müsst mir nicht danken. Ich wünschte nur …“, wieder dachte ich auch an Paytons Bruder, „… ich wünschte nur, ich wäre stärker gewesen. Ich wünschte, ich hätte es verhindert.“
    William nahm mir den Becher aus der Hand und zog mich in seine Arme. An der Brust des starken Hochländers kam ich mir vor wie ein Kind, und so bahnten sich meine Tränen auch kinderleicht ihren Weg über meine Wangen.
    „Es liegt nicht in unserer Macht, Dinge zu ändern, die geschehen sind, Samantha. Morgen oder übermorgen wird auch meine Frau das verstehen, und, wenn Kyle erst wieder einen Laib Bannockbrot von ihrer Fensterbank stibitzt, wird sie hoffentlich in ihrem Ärger über den kleinen Lümmel ihre Selbstgeißelung vergessen. Deine Tat aber werden wir dir nie vergessen.“
    Er zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Es waren blaue Augen, weit wie das Meer und ebenso aufgewühlt. „Wie nennst du es, dein Leben für ein Kind zu riskieren, das du nicht einmal kennst – wenn nicht Stärke? Und nun lass mir auch meine Stärke, die schon nichts wert war in dem Moment, als mein Sohn in Gefahr war, und sag, ob es etwas gibt, mit dem ich dir danken kann.“
    Ich schluckte. Schottland und seine Menschen gingen mir echt unter die Haut. Diesen Augenblick, der mein Herz zu sprengen drohte, würde ich nie wieder vergessen. Ebenso wenig die eindringlichen Worte des Mannes, in dessen Armen ich Trost fand, und die mich so bewegten, dass mein Schluchzen mir scharf im Hals brannte. Williams Sohn würde von nun an immer ein Teil meines Lebens sein.
    Der kleine Kyle bewegte sich unruhig in seinem Bett und weinte nach seiner Mutter. Sie nahm ihn auf ihren Schoß, und auch William ging hinüber und kniete sich zu ihren Füßen. Sie küssten den Jungen und redeten beruhigend auf ihn ein, bis er seinen Daumen in den Mund nahm und mit einem schmatzenden Geräusch zurück in den Schlaf sank.
    Ich kam mir wie ein Eindringling in diese auf so schmerzhafte Weise wieder vereinte Familie vor. Das Bild ihrer innigen Umarmung und die leise gemurmelten Gebete, deren unfreiwilliger Zeuge ich wurde, machten mir klar, dass ich weiter musste. Ich konnte nicht länger ausharren und vor meiner eigentlichen Aufgabe davonlaufen. Meine Anwesenheit in dieser Zeit hatte einen Grund.
    „Es gibt tatsächlich etwas, das du für mich tun könntest“, flüsterte ich, als William Kyle zurück in sein Bett gelegt hatte.

Kapitel 11

    Auld a´chruinn, heute
    Auch am nächsten Morgen ging es Payton kein bisschen besser. Der Duft aus der Küche der Pension drang in die behagliche Essecke, aber Payton empfand selbst das als unwillkommen. Als risse ihn der Geruch von Kaffee aus seinen Gedanken.
    „Tee oder Kaffee, der Herr?“, fragte ihn die Wirtin freundlich

Weitere Kostenlose Bücher