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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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da in der Legende von Männern aus der Umgebung gesprochen wurde, war es möglich, dass dieser Ort schon heute existierte. Ich musste ihn finden und versuchen, dort Hilfe zu bekommen.
    Der Tag war angenehm warm für Ende September, und da mich mein Weg am Ufer des in der Sonne funkelnden Gewässers entlangführte, kam ich nicht umhin, trotz meiner Sorgen und Ängste die Einzigartigkeit des Augenblicks zu genießen. Nur Schottland vermochte es, mich mit seinem Anblick so zu verzaubern, dass ich beinahe alles vergessen konnte. Als zählte nichts weiter als diese raue Schönheit, als die Klarheit des Wassers und die Magie dieser besonderen Berge.
    Tiefer Frieden überkam mich, als ich dem Schrei eines Vogels lauschte, der mühelos seine weiten Kreise über mir drehte.
    Das Schicksal spielte mit mir sein makaberes Spiel – aber es schenkte mir auch diese unvergesslichen Momente. Es fiel mir nicht leicht, mir das einzugestehen, aber eigentlich war ich dankbar für den Weg, den mir das Leben zugedacht hatte. Hatte es doch bis zum letzten Sommer immer so ausgesehen, als läge meine Bestimmung darin, gewöhnlicher als nur gewöhnlich zu sein. Ich war weder auffallend schön noch hässlich, weder besonders klug oder herausragend talentiert. Manchmal hatte ich geglaubt, im Wörterbuch meinen Namen als Definition für „gewöhnlich“ zu finden, sollte ich den Versuch wagen und das Wort nachschlagen.
    Ich lächelte. Es fühlte sich gut an zu denken, das Leben hätte vielleicht ja doch einen besonderen Plan für mich. Zu denken, dass ich es wert war, ein Spiel mit dem Schicksal zu spielen …
    Ein gellender Schrei riss mich aus meinen Gedanken, und ich duckte mich schnell ins hohe Ufergras.
    Wieder schlugen die Trommeln, die inzwischen das Klopfen meines Herzens übernommen hatten, wild in meiner Brust, und ich musste zweimal tief durchatmen, ehe ich über das donnernde Geräusch hinweg etwas hören konnte.
    Stimmen kreischten wild durcheinander, und ich spähte vorsichtig durch das dichte Schilf.
    Kinder. Ein Stück vor mir machte das Ufer eine Biegung, und felsige Überhänge bildeten einen wannenartigen Kessel. Es sah so aus, als wären die Kinder zum Baden von den Felsen in das seichte Wasser gehüpft. Ich verstand nicht, was sie riefen, aber die Furcht in ihren Stimmen war in jeder Sprache gleich zu deuten. Irgendetwas stimmte da nicht.
    Ich vergaß meine Vorsicht und rannte das kurze Stück, bis mir ein Mädchen, tränenüberströmt und Hilfe suchend, entgegenkam. Sie zerrte mich am Arm hinter sich her und redete hastig auf mich ein. Immer wieder deutete sie aufgebracht auf den See, in dessen glatter Oberfläche sich der Himmel spiegelte. Ich konnte nichts sehen, was sie derart in Angst versetzt haben konnte, aber auch die anderen zwei Kinder gestikulierten wild und zeigten immer wieder auf das Wasser.
    „Schhht, ist ja gut. Beruhigt euch!“ Ich wusste nicht, ob sie mich verstehen konnten, aber mich selbst beruhigte meine Beschwichtigung ein wenig. Scheiße! Was war denn hier los?
    Ich suchte mit den Augen das Ufer ab, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Als ich erneut über den See sah, bemerkte ich nahe eines herausragenden Felsens, dass sich die Wasseroberfläche dort kräuselte.
    Die Kinder deuteten hektisch dorthin und schoben mich näher ans Wasser.
    Himmel, da trieb ein Kind! Nur kurz durchbrach es die Oberfläche, ehe es wieder unterging.
    Ich zögerte keine Sekunde, sondern warf den Dolch und das Arisaid zu Boden und sprang von der Felskante. Das Wasser reichte mir hier nur bis zu den Oberschenkeln, aber mein wollener Rock sog sich sogleich voll und klebte mir bleischwer an den Beinen. Ich kam kaum voran. Es war, als liefe alles in Zeitlupe ab. Als dauerte mein Kampf mit dem Rock eine Ewigkeit und als wären die panischen Rufe der Kinder zu einer qualvoll langsamen Melodie geworden, während ich mich Meter für Meter näher an das reglose Kind heranarbeitete.
    Nach wenigen Schritten wurde das Wasser tiefer und reichte mir bis zur Brust. Die Kälte raubte mir kurz den Atem, hielt mich aber nicht vom Weitergehen ab. Schließlich schwamm ich, wobei mein Kleid drohte, mich in die Tiefe zu zerren. Jeder Zug, der mich dem dunklen Haarschopf näher brachte, verlieh mir neue Hoffnung, auch wenn ich Mühe hatte, gegen den kalten Sog anzukämpfen.
    Als ich die Hand ausstreckte und den leblosen kleinen Körper an mich zog, krampfte sich mein Herz zusammen. Blaue, leicht geöffnete Lippen in einem wächsern

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