Das Vermaechtnis der Drachenreiter
Gedanken noch immer bei der Werkatze war. »Aber eigentlich brauche ich gar keine Kräuter. «
»Mein Geschäft beschränkt sich nicht nur darauf«, sagte Angela grinsend. »Die närrischen reichen Herren zahlen mir viele Kronen für Liebestränke und dergleichen. Ich behaupte nie, dass sie wirken, doch aus irgendeinem Grund kommen die Herren immer wieder. Aber ich glaube nicht, dass du diese Mittelchen nötig hast. Soll ich dir deine Zukunft vorhersagen? Das mache ich für die dummen reichen Damen.«
Eragon lachte. »Nein danke, ich fürchte, meine Zukunft ist ziemlich ungewiss. Außerdem habe ich kein Geld.«
Angela blickte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu Solembum hinauf. »Ich glaube ...« Sie deutete auf die Kristallkugel neben sich. »Die ist nur zur Dekoration - sie bewirkt nichts. Aber ich habe ... Warte hier; ich bin gleich wieder da.« Sie lief eilig in einen Raum im hinteren Teil des Ladens.
Als sie atemlos zurückkehrte, hatte sie einen Lederbeutel in der Hand, den sie auf die Theke legte. »Ich habe sie schon so lange nicht mehr benutzt, dass ich gar nicht mehr wusste, wo sie lagen. So, und jetzt setz dich vor mich hin, dann zeige ich dir, warum ich mir die Mühe gemacht habe.« Eragon nahm einen Stuhl und setzte sich. In der Lücke zwischen den Schubfächern leuchteten die Katzenaugen.
Angela legte ein dickes Stofftuch auf die Theke, dann schüttete sie eine Hand voll glatter Knochen, jeder etwas länger als ein Finger, darauf aus. Seitlich waren Runen und Symbole eingraviert. »Das sind die Fußknochen eines Drachen«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Frag mich nicht, woher ich sie habe; das werde ich dir nicht verraten. Aber im Gegensatz zu Teeblättern, Kristallkugeln oder Spielkarten wohnt diesen Knochen tatsächlich eine Kraft inne. Sie lügen nicht, wenngleich es sehr schwer ist, sie zu deuten. Wenn du willst, befrage ich sie für dich. Aber sei dir darüber klar, dass es schrecklich sein kann, sein Schicksal zu kennen. Du musst dir wirklich sicher sein.«
Eragon betrachtete die Knochen mit einem beklommenen Gefühl in der Magengrube. Dort liegt, was einst ein Verwandter von Saphira war. Mein Schicksal erfahren ... Wie kann ich diese Entscheidung treffen, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet und ob es mir gefällt? Selig sind in der Tat die Unwissenden! »Warum bietest du mir das an?«, fragte er.
»Wegen Solembum. Er mag unhöflich gewesen sein, aber der Umstand, dass er überhaupt mit dir geredet hat, macht dich zu etwas Besonderem. Er ist immerhin eine Werkatze. Ich habe es auch den beiden anderen angeboten, mit denen er redete. Nur die Frau hat zugestimmt. Selena hieß sie. Oh, wie hat sie es bereut. Ihre Zukunft war traurig und schmerzvoll. Sie hat mir nicht geglaubt - zuerst nicht. Später schon.«
Die Gefühle überwältigten Eragon; Tränen schossen ihm in die Augen. »Selena«, flüsterte er. Der Name seiner Mutter. Könnte sie es gewesen sein? War ihr Schicksal so grauenvoll, dass sie mich weg-geben musste? »Erinnerst du dich an irgendetwas, das du ihr gesagt hast?«, fragte er mit erstickter Stimme.
Angela schüttelte den Kopf und seufzte: »Es ist schon so lange her, dass die meisten Einzelheiten mit den anderen Erinnerungen in meinem Gedächtnis verschmolzen sind. Mein Kopf ist längst nicht mehr so rege wie früher. Und was ich noch weiß, erzähle ich dir nicht. Das war für sie allein bestimmt. Aber es war sehr traurig; ich habe niemals ihren Gesichtsausdruck vergessen.«
Eragon schloss die Augen und versuchte, seine Gefühle zu beherrschen. »Warum beklagst du dich über dein Gedächtnis?«, fragte er, um sich abzulenken. »Du bist doch noch gar nicht so alt.«
Angelas Lächeln zauberte kleine Grübchen in ihre Wangen. »Sehr schmeichelhaft, aber lass dich nicht täuschen; ich bin viel älter, als ich aussehe. Mein junges Erscheinungsbild kommt wahrscheinlich daher, dass ich in mageren Zeiten immer meine eigenen Pflanzen und Kräuter essen muss.«
Eragon lächelte ebenfalls und atmete tief durch. Wenn meine Mutter wirklich hier war, und wenn sie es ertrug, ihr Schicksal zu erfahren, dann schaffe ich das auch. »Befrage die Knochen für mich«, bat er ehrfürchtig.
Angelas Gesicht wurde ernst, als sie die Knochen in beide Hände nahm. Ihre Augen schlossen sich und ihre Lippen bewegten sich in lautlosem Gemurmel. Dann sprach sie mit fester Stimme: »Manin! Wyrda! Hugin!«, und warf die Knochen auf das Stofftuch. Sie fielen wahllos übereinander und
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